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Der Drache am Himmel

Der Drache am Himmel

Titel: Der Drache am Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Sommer
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war: ein Phantom, das sich von einem uralten Trugbild abgeleitet hatte. Doch wahrscheinlich bildete ich mir alles nur ein, desgleichen die ferne Stimme der Meisterin: Was siehst du? Blickt dir im Spiegel ein stolzer Henry entgegen? Dein Experiment ist ja erfolgreich. Deine Schäfchen sind gestrauchelt, obwohl kein Bösewicht sie verführt hat. Einzig ihren selbst gestrickten Versuchungen sind sie erlegen. Und bist du nicht exakt deswegen angetreten? Das wolltest du doch beweisen! Wasche also deine Hände in Unschuld! Dreh einfach den Wasserhahn auf … Schon bald wird unsereiner in die wohlverdiente Vergessenheit verschwinden können … Freigesprochen … keine geistige Urheberschaft … Immer verwaschener klang sie. Ich flüchtete ins Zimmer zurück. Es konnte die Meisterin nicht gewesen sein; zu sarkastisch war’s.
    Im Übrigen erhielt Aldo seinen Koffer sechs Tage später per Kurier. Obenauf lag ein Gruß von Akonnor, seinem Anwalt. Darunter in Papier eingeschlagen, statt seiner Anzüge und Hemden die drei Voodoo-Masken. Ich erfuhr es von Barbara, die es von Aldo hatte. Ob ich mir vielleicht eine aussuchen wolle, ließ er mich fragen.

Dritter Teil: Die Liebe

Kleiner Prolog
    E s sagt die Meisterin: »Dich treiben Hass und Zorn! Du verdammst alle Menschen, die nicht verantworten wollen, was sie getan haben. Ihre Feigheit ekelt dich. Du verachtest ihre Ausreden. Natürlich sind nie die ›bösen Mächte‹ schuld und nie das ›schwache Fleisch‹. Réa selbst verführt Réa. Carla selbst hat sich das Leben eingebrockt, das sie führt. Und natürlich kann unsereiner nichts dafür, wie es in der Welt aussieht und was die Menschen einander antun. Was Aldo aus Aldo macht, liegt allein bei ihm. Was ein Severin anrichtet, hängt einzig von ihm selbst ab. Und es sieht böse aus. Das Unrecht scheint zu triumphieren. Dabei warst du allen nur Freund und keinem Verführer. Man könnte also sagen, dein Experiment war korrekt. Wenn nicht ein Wunder geschieht, wirst du recht bekommen. Zufrieden, Geselle?«
    Er sagt : »Spürst du denn nicht meine Zerrissenheit? Manchmal wünschte ich, alle würden mir einfach von der Schippe springen Aber das muss unter uns bleiben.«
    Die Meisterin lacht. »Spring doch selbst, Geselle!«
    Er sagt : »Unmöglich! Ein paradoxer Salto wäre es … Wenn ich nur diese verfluchte Sehnsucht nicht hätte!«
    Die Meisterin sagt : »Andere wagen den Sprung vielleicht, mein Freund.«
    Er sagt : »Ich wüsste nicht, wer!«
    »Sagen wir mal … also unterschätz mir die alte Belzer nicht, die Rosa!«, sagt die Meisterin.

9
Drei Nächte
    Aus Henrys Aufzeichnungen
     
     
    A m Montag und Dienstag hatte ich mehrmals mit dem Richter und mit der ghanaischen Botschaft in Paris telefoniert. Es zeichnete sich eine Lösung ab. Die verunstalteten Kinder aus Accra würden in der Universitätsklinik von Montpellier operiert werden.
    Als ich am Dienstagabend aufgeräumter Stimmung nach Hause kam, lief mir auf dem Vorplatz mit wedelndem Schwanz ein mittelgroßer Hund entgegen. Am anderen Ende der Leine, die hinter ihm herzappelte, war Barbara, die Sekunden später um die Hausecke schoss. Ihr Ruf »Bei Fuß! Che-Che, Fuß!« verhallte ungehört, der Hund schleckte mir bereits die Hand ab. Geschmeichelt versuchte ich es mit »Sitz, Che-Che!«. Das Tier setzte sich.
    »Was! Henry! Du kennst den Hund von Loretans Mutter!«
    »Warum? Ist die zu Besuch?«, sagte ich und kraulte seinen Kopf. Hübsch sah er aus mit seinem wolligen braunen Fell. Vermutlich war er eine Mischung aus Hirtenhund und Königspudel. »Und nein, ich bin dem Hund noch nie begegnet.«
    Barbaras Gesicht verriet Zweifel: »Also gut. Dann liebt er dich halt einfach so. Frau Loretan ist nicht hier. Sie ist sehr krank, liegt wahrscheinlich im Sterben.«
    »Und der Hund …?«
    »Eine Notlösung. Carla betreut die Frau. Du weißt schon … ihre Sterbebegleitungen. Und der Hund konnte nicht dort bleiben.«
    »Konnte Carla ihn denn nicht bei Frau Loretans Sohn unterbringen?«
    »Angeblich hasst der Hund den Banker.«
    »Armer Che-Che«, sagte ich. Und als ich Barbara umarmte, sah der Hund aufmerksam zu und klopfte mit dem Schwanz freudig auf den Rasen.
    »Kluges Tier!«, kicherte Barbara. »Kann Esoterik-Verleger von Bankern unterscheiden.«
    Barbara trug einen etwas aufreizenden Hausdress und die Haare offen – woraus ich schloss, dass Lilith heute Abend unterwegs war und wir das Haus nur für uns hatten.
    »Lilith kommt erst spät?«
    »Ach, stimmt, das

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