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Der Drachenbeinthron

Der Drachenbeinthron

Titel: Der Drachenbeinthron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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… wandelte …
    Simon war sehr still, als Geloë das Boot am Fuß der Planke gut festband.
    Alles und jeder wurde in das kleine Boot hineingestopft: Binabik hockte im spitzen Bug, Marya in der Mitte, Simon, die unruhige Qantaqa zwischen den Knien, im Heck. Die Wölfin fühlte sich sichtlich unwohl. Als Binabik ihr befahl, in den schaukelnden Kahn zu steigen, hatte sie gewinselt und sich gesträubt. Er hatte ihr sogar einen kleinen Klaps auf die Schnauze versetzen müssen. Selbst in der Dunkelheit, die der Morgendämmerung vorausging, konnte man dem kleinen Mann vom Gesicht ablesen, wie schwer ihm das gefallen war.
    Der Mond hatte sich tief in das blauschwarze Gewölbe des Lichter werdenden westlichen Himmels zurückgezogen. Geloë reichte ihnen die Paddel und richtete sich auf.
    »Sobald ihr sicher aus dem See heraus und ein Stück den Fluss hinauf seid, solltet ihr das Boot am besten über Land tragen, durch den Wald bis zum Aelfwent. Es ist nicht übermäßig schwer, und ihr braucht es auch nicht sehr weit zu schleppen. Der Fluss fließt in die richtige Richtung und müsste euch schnell nach Da’ai Chikiza bringen.«
    Binabik streckte sein Paddel aus und stieß das Boot von der Planke ab. Geloë stand knöcheltief im Seewasser, als sie sich sanft vom Ufer wegdrehten.
    »Denkt daran«, flüsterte sie, »Lasst die Paddel im Wasser ruhen, sobald ihr den Fluss erreicht. Stille! Das ist euer Schutz.« Simon hob die offene Hand. »Lebt wohl, Valada Geloë.«
    »Leb wohl, junger Pilgrim.« Obwohl kaum drei Ellen sie trennten, wurde ihre Stimme bereits schwächer. »Viel Glück für euch alle. Fürchtet euch nicht! Ich werde gut für das kleine Mädchen sorgen.« Leise glitten sie davon, bis die Zauberfrau nur noch ein Schatten neben der vorderen Stelze des Hauses war.
    Der Bug des kleinen Bootes durchschnitt das Wasser wie eine Barbierklinge Seide. Auf einen Wink Binabiks senkten sie die Köpfe, und der Troll steuerte das Boot schweigend in die Mitte des nebligen Sees. Simon schmiegte sich an Qantaqas dickes Rückenfell, spürte den Puls ihres unruhigen Atems und sah zu, wie sich auf der Wasseroberfläche neben dem Boot kleine Ringe bildeten. Zuerst dachte er an Fische, die früh am Morgen ein Frühstück aus Maifliegen und Mücken einnahmen. Dann aber spürte er einen winzigen nassen Tropfen im Nacken und noch einen. Es regnete.
    Als sie sich der Mitte näherten, fuhren sie durch ganze Felder von Hyazinthen, die über das Wasser verstreut waren, als habe man sie auf den Pfad eines heimkehrenden Helden geworfen. Der Himmel begann sich aufzuhellen, aber die Dämmerung kündete ihr Kommen nicht an: Es würde noch Stunden dauern, bis die Sonne die Wolken durchbrechen und sich am Himmel zeigen könnte. Es sah eher so aus, als habe man eine Schicht Dunkelheit vom Himmel geschält – die Nacht verlor den ersten von vielen Schleiern. Die Baumlinie, die ein schwarzer Fleck am Horizont gewesen war, verwandelte sich in ein Strohdach aus einzelnen Baumwipfeln, die sich vom schiefergrauen Himmel abhoben. Das Wasser, das sie umgab, sah aus wie schwarzes Glas, aber schon wurden ein paar Einzelheiten des Ufers erkennbar, matte, bleiche Baumwurzeln wie verkrüppelte Bettlerbeine, der vage Silberschein eines Granitfelsens – das alles umgab den geheimen See wie die Zuschauer in einem Hoftheater, die darauf warteten, dass die Schauspieler sich einfinden. Langsam verwandelten sich die nächtlichen Schemen in die lebendigen Dinge des Tages.
    Qantaqa duckte sich überrascht, als Marya sich plötzlich vorbeugte und über die Seitenwand des Bootes spähte. Sie wollte etwas sagen, unterließ es und zeigte stattdessen mit dem Finger über den Bug und leicht nach rechts.
    Simon kniff die Augen zusammen und sah es: ein fremdartiges Gebilde am Waldsaum, ein viereckiges, kompaktes Ding, dessen Farbe sich von den dunklen Ästen ringsum abhob – ein blaugestreiftes Zelt.
    Jetzt gewahrten sie noch einige weitere Zelte, drei oder vier, die gleich hinter dem ersten standen. Simon machte ein finsteres Gesicht und lächelte dann verächtlich. Wie typisch für Baron Heahferth, jedenfalls nach dem zu urteilen, was er damals in der Burg über ihn gehört hatte, derartigen Luxus in den wilden Wald mitzuschleppen.
    Gleich hinter den verstreuten kleinen Zelten wich das Seeufer mehrere Ellen zurück und trat dann wieder vor. In der Mitte gab es eine dunkle Stelle, als ob jemand ein Stück aus der Uferlinie herausgebissen hätte. Äste hingen dort tief über

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