Der Drachenflüsterer - Der Schwur der Geächteten
verbracht, einen Ziegelbrocken nach dem anderen herausgebrochen und in den Wald geworfen und sich gefreut, wenn irgendwelche Vögel erschreckt aufstoben oder andere Tiere raschelnd durchs Unterholz flohen.
Er hatte Steine geworfen oder ins Nichts gestarrt. Auf keinen Fall hatte er sehen wollen, wie Yanko Nica küsste oder auch nur ihre Hand hielt oder sie anlächelte. Diese Turtelei ging ihm auf den Geist.
Yanko war sein Freund, sein bester Freund, aber Ben hatte sich zuerst in Nica verliebt. Doch bevor er ihr das hatte gestehen können, hatte er aus Trollfurt fliehen müssen, fälschlich eines Mordes beschuldigt, und Yanko das Feld überlassen. Dann hatte er die dämliche Anula zurückgelassen, um Nica zu retten, und als er jetzt zu Ihrer Hochnäsigkeit zurückgekehrt war, war er schon wieder eines Mordes bezichtigt worden, den er nicht begangen hatte, oder gar mehrerer. Das konnte doch einfach nicht wahr sein! Jedes Mädchen, in das er sich verliebte, bekam kurz darauf zu hören, er sei ein Mörder! Wie sollte er es da für sich gewinnen?
Ben hatte Stück für Stück der Mauer herausgebrochen und darauf gewartet, dass die Sonne unterging und sie endlich loskonnten.
Wenn es im Gebüsch geraschelt hatte, hatte er erschreckt dorthin gestarrt, ob es auch wirklich ein Tier war und keine Verfolger aus der Stadt.
»Alles in Ordnung?«, fragte Aiphyron nun, als Ben es sich vor seinen Flügeln bequem machte.
»Ja«, brummte er. Was sollte er auch sonst sagen, ein Drache verstand nichts von der Liebe. Drachen wuchsen allein irgendwo in der Welt heran, wurden allein geboren und lebten allein, sie bildeten keine Paare wie Menschen oder auch viele Tiere. Für sie war es vollkommen normal, allein zu sein.
»Na, dann los!« Aiphyron breitete die Flügel aus und drückte sich mit den kräftigen Hinterbeinen vom Boden ab.
Ben wurde in die Höhe gerissen, er hörte die Flügel schlagen,
wie ihr Wind in den Baumkronen raschelte, dann waren sie über dem Wald und stiegen immer weiter auf zu den Sternen. Plötzliches Glück durchströmte Ben, es war, als hätte er Ballast von seinem Herzen abgeworfen. Alles, was ihn gerade noch bedrückt hatte, war verschwunden, irgendwo dort unten auf der Erde zurückgeblieben, auch Anulas Zurückweisung und die Erinnerung an den Mob auf seinen Fersen.
Gegenwind blies ihm ins Gesicht, während sie mit kräftigen Flügelschlägen nach Norden flogen und noch immer an Höhe gewannen. Aiphyron kurvte ausgelassen nach rechts und links, tauchte kurz ab, nur um im Anschluss daran noch höher zu steigen. Ben wollte schreien vor Freude, doch niemand durfte sie hören. Schließlich wurden sie gejagt. Doch wer sollte ihnen hier oben schon folgen können? Also brüllte er gegen den Wind an und lachte in die Nacht.
»Das habe ich vermisst«, rief er.
»Na, dann halt dich fest«, erwiderte Aiphyron und blickte mit funkelnden Augen zu ihm zurück.
Sofort klammerte sich Ben an die rauen Schuppen, presste die Beine so fest wie möglich an den Drachen und schmiegte sich ganz flach an ihn. Jubelnd überschlug sich Aiphyron zweimal in der Luft, stürzte sich mit angelegten Flügeln in die Tiefe, während er sich um sich selbst drehte, und breitete sie wieder aus, wechselte für einige Augenblicke in einen friedlichen Gleitflug.
»Ja!«, rief Ben und schüttelte den Kopf, um den Druck auf den Ohren loszuwerden. Sein Magen drehte sich noch immer, ihm schwindelte, doch sein Kopf fühlte sich so leicht an wie lange nicht mehr. Tief atmete er durch und sah sich nach seinen Freunden um. Weit über sich erkannte er die Schemen
von Feuerschuppe, der Nica trug, und Juri, auf dessen Rücken Yanko saß. Das Leben konnte wunderschön sein.
In diesem Moment schwappte plötzlich eine Welle kühler Luft über ihn hinweg, und Gänsehaut überlief ihn. Stechende Kälte kroch ihm unter die Haut, und auch Aiphyron schüttelte sich. Mit kräftigen Flügelschlägen gewann er rasch an Höhe. Im Wald unter ihnen knackte es, Wipfel wackelten im bleichen Mondlicht hin und her, eine Welle durchlief den Wald. Irgendetwas wirklich Großes schien sich dort seinen Weg zu bahnen, verborgen vom dichten Laub. Schnurgerade hielt es auf Falcenzca zu und bewegte sich schneller als ein Mensch. Über das Knacken und Rascheln hinweg vernahm Ben ein Schnüffeln wie von einem Jagdhund, nur viel lauter. Dann blieben die Geräusche zurück. Seine Hände waren eiskalt und steifgefroren, als hätte er sie eben tief in den Schnee gesteckt.
»Was war
Weitere Kostenlose Bücher