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Der Drachenflüsterer - Der Schwur der Geächteten

Titel: Der Drachenflüsterer - Der Schwur der Geächteten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Koch
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furchtbar allein. Nica hatte ihn geküsst, doch jetzt lag ihr Kopf auf Yankos Oberschenkel. Yanko durfte ihr den Dreck aus dem Haar entfernten, nur er durfte sich um sie kümmern. Und er kümmerte sich nur um sie, nicht um Ben.
    Natürlich wollte Ben von seinem Freund nicht so berührt werden, wie der Nica betatschte, doch er wollte auch zu ihnen
gehören. Die beiden hatten einander, doch er hatte nur seine Erinnerung an einen verbotenen Kuss und die Gedanken an ein hochnäsiges Mädchen in Falcenzca, das ihn zurückgewiesen hatte.
    Er war allein, Yanko und Nica waren zusammen.
    Und das galt selbst hier und jetzt in diesem Käfig, der sie zu ihrer Hinrichtung bringen sollte.
    Wie ertrug sie das nur, ohne wahnsinnig zu werden über den Kuss, mit dem sie ihn hintergangen hatte? Ben konnte Yanko deswegen manchmal nicht in die Augen sehen, aber sie küsste ihn weiterhin, als wäre nichts geschehen. Ließ sich von ihm in den Arm nehmen, ahnungslos, wie er war. Warum bemerkte Yanko nicht, wie sie ihn behandelte? So dumm, wie er sich anstellte, hatte er es nicht anders verdient, dass ein anderer sein Mädchen küsste, dachte Ben wütend.
    Warum nur konnte er diesen Kuss nicht vergessen? Warum nicht Anula? Die meisten Jungen verliebten sich in ein einziges Mädchen, nur er brachte es fertig, sich zugleich in zwei zu verlieben, die beide nichts von ihm wollten. War es nicht genug, wegen einer unglücklich zu sein? Warum konnte er sich nicht entscheiden, welche von beiden für die stechende Einsamkeit in seiner Brust zuständig war? Voller Selbstmitleid überlegte er, ob ihn jemand verflucht haben könnte und warum er nicht einfach einem Mädchen begegnen konnte, das ihn wirklich mochte. Das ihn küssen wollte, auch wenn es keine Pilze gegessen hatte.
    Doch wie es aussah, würde er überhaupt kein Mädchen mehr kennenlernen. Er würde hingerichtet werden und allein sterben. Hoch am Galgen, neben einem Freund, den er hintergangen hatte, und einem Mädchen, das ihn einmal geküsst hatte, als sie nicht klar im Kopf gewesen war. Von wegen
Wahrheit, pah! Würden die Pilze wirklich die Wahrheit zeigen, läge ihr Kopf jetzt auf seinem Schoß und nicht auf Yankos.
    Ben dachte an drei wartende Galgen, an die jubelnde, nach Tod lechzende Menschenmasse vor dem Schafott, und wurde von einer weiteren Welle der Angst überschwemmt. Er begann zu zittern und biss sich auf die Knöchel, um nicht zu weinen. Mochte er auch allein sein und bald sterben, noch hatte er seinen Stolz. Den würden ihm die verdammten Ritter nicht nehmen. Niemals.
    Mit brennenden Augen und bebenden Lippen sah er hinüber zur Sonne, die rot am Horizont versank, und beschimpfte leise die Ritter. Erst stotternd, dann immer flüssiger. Mit jedem Wort stieß er auch ein wenig der nagenden Angst hinaus.
    »Ihr elenden bauchkrampfigen Darmgeburten«, murmelte er.
    »Rotzfresser«, half ihm plötzlich Yanko, der den Kopf gehoben hatte und ebenfalls in den Sonnenuntergang starrte. Seine Augen waren rot umrandet.
    »Wimmermäuse«, knurrte Ben mit einem mühsamen Lächeln. Zu zweit zu fluchen, half gegen die Einsamkeit und Angst.
    »Angstjammernde Furchtlurche.«
    »Unterwürfige Bodenwinder.«
    »Wurzelgnome.«
    »Stinkende Missgeburten einer grün verschimmelten Trollmutter.«
    »Sollen ihnen alle Finger und Zehen einzeln abfaulen. Ganz langsam, Glied für Glied.«
    »Und die Augen in den Höhlen zu gammligen Rosinen
verschrumpeln und durch die verstopften Nasenlöcher nach draußen rollen.«
    »Drauftreten sollen sie dann, blind wie eine greise Erdschleiche.«
    Und so ging es weiter und weiter, bis die Sonne schließlich vollständig versunken war und sich Dunkelheit über das Land senkte. Nur das flackernde Feuer sorgte noch für Licht.
    Nica hatte kein einziges Wort zu den Beschimpfungen beigetragen. Jetzt richtete sie sich auf und sagte mit ruhiger Stimme: »Wir müssen irgendwie an den Schlüssel für den Käfig kommen.«
    »Und wie?«, fragte Ben und blickte sie überrascht an. Er hatte gedacht, sie wäre auf Yankos Bein bereits eingeschlafen und hätte jegliche Kraft und Hoffnung verloren.
    »Ich weiß es nicht. Aber dieser eine Ritter war doch ganz wild darauf, mir das Kleid anzuziehen. Irgendwie müssen wir ihn...«
    »Nein«, stieß Yanko hervor. »Wir müssen ihn nicht noch auf dumme Gedanken bringen.«
    »Wenn er genug getrunken hat, können wir ihn überwältigen«, warf Ben nach einem kurzen Moment der Stille ein. Egal, wie unausgereift und riskant dieser Plan

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