Der Drachenflüsterer - Der Schwur der Geächteten
Eis gewordenen Körper, der nur wenige Augenblicke vor seinem erlösenden
Tod in ewig stechende Kälte gehüllt worden war. Denn selbst die heißesten Strahlen der Sonne erwärmten dieses Eis nicht, auch im Sommer verweigerte Hellwah ihm seine erlösende Wärme. Der schreckliche Ketzer war nun für alle Zeit zwischen Leben und Tod gefangen.
Ob er diese Geschichte wirklich glauben sollte, konnte Ben nicht sagen. Seit er wusste, wie viele Lügen in alten Legenden stecken konnten, zweifelte er an allem. Doch auf keinen Fall wollte er von einem dieser weißen Drachen erwischt werden. Er schluckte und wandte sich an den Ritter, um mehr über einen solchen möglichen Verfolger zu erfahren: »Ihr wart schneller als die Hunde Hellwahs? Das ist wirklich bewundernswert. Doch warum sollten sie hinter uns her sein?«
»Glaubst du Knilch mir etwa nicht?«
»Oh, nein, das habe ich nicht gesagt. Doch warum sollte der Orden uns diese nimmermüden Jäger auf den Hals hetzen, wenn sich anderswo viel gefährlichere Gestalten herumtreiben. Mordende Ketzer und ruchlose Räuber und diese wüsten Samothanbeter von dem Steckbrief?«
Verwirrt starrte der weiße Ritter Ben an und blinzelte. Dann knurrte er böse: »Aber ihr seid doch die auf dem Steckbrief.«
»Wenn wir das wirklich wären, warum würde Herr Arthen dann das arme Mädchen in ein falsches Kleid stecken?«, fragte Ben listig. Das Gespräch entwickelte sich anders als geplant, aber vielleicht konnte er hilfreiche Zweifel säen. »Müsste er uns dann wirklich verkleiden?«
Mit stechenden Augen starrte der weiße Ritter ihn an. Für einen kurzen Moment konnte Ben die erhofften Zweifel aufflackern sehen, dann legte sich wieder das fiese Grinsen auf die Lippen des Ritters. »Ich weiß nicht, ob er das muss.
Aber das ist mir auch egal, ich tue es nun mal einfach gern. Und ob ihr nun die Falschen oder Richtigen seid, das werden die feinen Nasen der äbtlichen Drachen auf jeden Fall erkennen.«
Innerlich fluchte Ben. Daran hatte er natürlich nicht gedacht. Was wussten schon die Pilze von der Wahrheit, die ihm gezeigt hatten, er solle sich die Haare schneiden? Darauf wäre er auch allein gekommen. Hätten sie ihm mal lieber gezeigt, wie man seinen Geruch verändert, das wäre hilfreich gewesen.
In diesem Moment erklang ein langgezogenes, grunzendes Schnarchen; Herr Arthen war endlich eingeschlafen. Beinahe sofort fasste der weiße Ritter Nica ins Auge und zwinkerte ihr unbeholfen zu. »Ich glaube, ich hol mal das Kleid. Wir können ja schon einmal prüfen, ob es wirklich die richtige Größe hat, auch wenn du es letztlich erst zur Ankunft beim Abt angezogen bekommst.«
Irritiert sah Ben ihm nach. Sie hatten noch nicht einmal versucht, ihren Plan in die Tat umzusetzen, doch allem Anschein nach hatte dieser Widerling den ganzen Abend über genau denselben gehabt. Das war nicht gut. Beim Gepäck neben dem Feuer angekommen, beugte sich der Ritter nach vorn und kratzte sich dabei ausgiebig am Hintern.
Ein kurzer Luftzug streifte den Käfig. Er kam von oben, doch Ben dachte sich nichts dabei. Stumm starrte er weiter zum weißen Ritter hinüber, der sich langsam wieder aufrichtete, das Kleid in den Händen. Ein weiterer Windzug traf Ben, Yanko stieß ihm gegen die Schulter und zischte: »Schau hoch.«
Doch da hatte Ben das heranstürmende Rauschen bereits selbst erkannt. Drachenflügel!
Rasch hob er den Kopf und musste nicht lange suchen. Ein massiger Schatten stürzte aus dem Himmel herab, verdeckte mit jedem Augenblick mehr Sterne. Ben glaubte, in seinem Windschatten noch zwei weitere geflügelte Schemen wahrzunehmen. Mächtige Klauen prallten auf ihren Käfig und krallten sich ins Gitter.
»Festhalten«, knurrte Aiphyrons vertraute Stimme. Dann schlug der Drache kräftig mit den Flügeln. Er wischte den weißen Ritter von den Beinen, der von der aufgewühlten Luft weiter über den Boden gefegt wurde und sich fluchend dreimal überschlug.
»Was...?«, murmelte Herr Arthen verschlafen, bevor er aufgewirbelten Staub und Dreck schluckte und hustend ganz aus dem Schlaf gerissen wurde. Panisch packte er das Schwert neben seiner Liegestatt und krabbelte hinter den nächstbesten Busch.
Als sich ihr Gefängnis schwankend in die Luft erhob, lachten und jubelten Ben, Yanko und Nica. Ben klammerte sich an die Gitterstäbe, um nicht zu fallen, und sah, wie das Lagerfeuer, ein lodernder Punkt Helligkeit in der Nacht, langsam immer kleiner wurde. Er sandte stumme Beschimpfungen zu den
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