Der Drachenflüsterer - Der Schwur der Geächteten
Auge geblutet hatte, waren die beiden Ordensritter doch eingeschritten. Schließlich verlangte der Steckbrief, die Gesuchten lebend abzuliefern.
Ben hatte schon lange aufgegeben zu protestieren, zu schreien, er sei überhaupt kein Samothanbeter. Stur hielt er den Kopf unten und ließ einfach alles über sich ergehen. Irgendwann würden sie aufbrechen, und dann wäre zumindest diese Tortur vorbei.
Dann würden sie zu ihrer Hinrichtung gekarrt werden. Manchmal hob er doch den Kopf, blickte sehnsuchtsvoll in Richtung Klamm und beschimpfte seine eigene Dummheit. Dort drüben lagen Aiphyron, Juri und Feuerschuppe, und er selbst hatte ihnen gesagt, sie sollten sich keine Sorgen machen, der Ausflug nach Vierzinnen könne dauern.
Was hatte er sich nur dabei gedacht?
Wahrscheinlich würden die Drachen drei Tage lang warten, im Bach baden und sich die Sonne auf die Schuppen scheinen lassen, bevor sie zum ersten Mal überhaupt einen Gedanken daran verschwendeten, nach ihren menschlichen Freunden zu suchen. Ach, Ben hat doch gesagt, das kann dauern, würde Juri sagen und den anderen irgendeine langatmige Anekdote erzählen, wie er einmal sieben Wochen auf jemanden hatte warten müssen. Den drei Schuppenlosen geht es bestimmt prächtig.
Doch bis dahin wären sie schon längst unterwegs zu diesem Hohen Abt, und wenn die Drachen endlich doch nach ihnen sehen würden, würden sie sich eine Stadt vornehmen, in der es von Drachenrittern wimmelte. In Bens Vorstellung wurden Aiphyron erneut die Flügel abgeschlagen, ebenso Juri und Feuerschuppe, sie wurden versklavt, und alles nur seinetwegen.
Warum hatte er die Drachen nicht gebeten, nach sechs Stunden nach ihnen zu sehen?
Warum hatten sie diesem verdammten Jungen vertraut?
Wütend schlug er sich gegen die Stirn und langte so in die breiige Überreste einer Frucht. Vielleicht war es auch das rohe Ei, das der Bäckerlehrling mit dem roten Gesicht nach ihm geschleudert hatte.
Oder hatte vielleicht sogar Hellwah selbst ihnen das eingebrockt? Mit ihrem Schwur hatten sie sich gegen seinen Orden
gewandt, wie auch gegen die Ketzer, die ihn ebenso verehrten, wenn auch auf andere Art. Aber sie alle lagen falsch, was die Drachen anbelangte. Trotzig presste Ben die Zähne aufeinander. Sie lagen falsch! Drachenflügel waren nicht verflucht. Und wenn Hellwah selbst das glaubte, dann lag eben auch er falsch! Warum sollten Götter nicht irren können?
Eine Frucht sauste über Ben hinweg, traf jemanden jenseits des Käfigs. Beschimpfungen wurden hin und her geschleudert, irgendwer lachte, doch Ben hielt den Kopf unten. Solange sie sich dort draußen stritten, wurden sie hier drin wenigstens in Ruhe gelassen.
Kurz schielte er zu Yanko hinüber. Schützend hatte er den Arm um Nica gelegt, das Blut auf seiner Stirn war getrocknet und hatte sich mit allem Möglichen vermischt. Yankos Haar war vollgeschmiert mit zahllosen Essensresten, seine Kleidung von dunklen Flecken übersät.
»Betet ihr wirklich zu Samoth?«, fragte da eine leise Stimme neben Ben. Es war das erste Mal, dass diese Frage gestellt wurde.
Verwundert sah er auf und entdeckte Margulv, der auf seiner Unterlippe kaute und unruhig hin und her tippelte.
»Das fragst du jetzt?«, fauchte er. »Nachdem du uns verkauft hast? Bisschen spät, was?«
»Betet ihr zu Samoth oder nicht?« Margulv starrte Ben hartnäckig an. In seinen versteinerten Zügen war nicht zu lesen, was in ihm vorging.
»Warum sollte ich mit dir reden?«, knurrte Ben. »Dreckiger Verrätergnom.«
»Ihr betet zu Samoth«, stellte Margulv schlicht fest, und Erleichterung zeigte sich auf seinem Gesicht. Als hätte er jetzt nachträglich die Gewissheit, richtig gehandelt zu haben.
Ben schielte zu den beiden Rittern, die jedoch mehr auf den Tumult um den Wagen achteten als auf ihre Gefangenen. Bürger beschuldigten sich gegenseitig, hier schrie einer »Absicht«, dort einer »Versehen!«, doch ohne Entschuldigung. Früchte wurden als Beweismittel geschwenkt, Fäuste geschüttelt. Und irgendwer schrie: »Ein Versehen? Das hat schon dein stinkender Großvater behauptet, als er den Hamster meiner Großmutter angezündet hat! Ihm sei die Fackel aus den fetten Fingern geglitten. Pah! Ausreden, alles Ausreden!«
»Lass meinen Großvater aus dem Spiel, der ist seit fünfzehn Jahren tot.«
»Der Hamster schon viel länger!«
Es schien, als würde jeder noch so lange vergrabene Groll ausgegraben werden, alle waren wild darauf, einen anderen zu beschuldigen, irgendwen
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