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Der Drachenflüsterer - Der Schwur der Geächteten

Titel: Der Drachenflüsterer - Der Schwur der Geächteten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Koch
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sein mochte, es war wenigstens einer. Das Bild von ihrer Hinrichtung hatte sich in Bens Gedanken festgekrallt; sie mussten hier unter allen Umständen raus, bevor sie zu jenem Abt kamen. Und sie wussten nicht, ob sie schon morgen oder erst nächste Woche sein Kloster erreichen würden.
    »Und wenn nicht, was dann?« Zornig starrte Yanko ihn an. »Du bist fein raus, dir passiert ja nichts.«
    »Fein raus?«, zischte Ben und mühte sich, nicht laut zu werden. »Wir werden alle sterben, sobald wir bei diesem Abt
sind. Das nennst du Krötenkopf fein raus? Wenn einer von denen da draußen wild darauf wäre, mir ein weißes Kleid oder meine Flickenhose anzuziehen, dann wäre ich auch liebend gern der Lockvogel. Nur will das dort keiner.«
    »Wäre, wäre, wäre...«, äffte Yanko ihn nach. »Das kann jeder sagen, das ist nicht echt.«
    »Ach ja? Soll ich dir mal eine echt gebrochene Nase zeigen?«
    »Komm doch her. Schauen wir mal, wessen Nase als erste splittert!«
    Ben wollte schon aufspringen, da knurrte Nica: »Jungs!«
    Ben verharrte, auch Yanko ließ die erhobene Faust langsam sinken.
    »Was soll der Unsinn?« Ohne eine Antwort abzuwarten, schaute sie Yanko an und legte ihre Hand beruhigend auf seinen Oberschenkel, doch Ben sah, dass ihre Finger zitterten. »Ben und ich haben Recht. Der erfolgversprechendste Köder bin momentan einfach ich. Am besten warten wir noch, bis sich die ersten Ritter schlafen legen. Wenn dir bis dahin ein anderer Ausweg einfällt, sag ihn mir. Mir macht dieser Plan doch selbst Angst. Aber irgendwas müssen wir tun, wir können uns nicht wie dummes, wehrloses Vieh zur Schlachtbank führen lassen.«
    Yanko erwiderte ihr gequältes Lächeln und strich ihr sanft über die Wange. Dann drehte er sich zum Lagerfeuer, um das die lachenden Ordensleute zechten und mit viel Wein und Gesang ihren großen Fang feierten, und stierte entschlossen in die hell lodernden Flammen. »Na, dann lasst mich mal in Ruhe denken.«
     
    Nachdem bestimmt zwei Stunden vergangen waren, verriet sein gequälter Gesichtsausdruck, dass ihm noch immer nichts
eingefallen war. Besorgt beobachtete er, wie sich erst der kichernde Knappe, dann Herr Arthen und die sichtlich beschwipste Jungfrau hinlegten. Der schwankende Herr Friedwart legte noch ein paar dicke Äste auf das hell auflodernde Feuer, während er bruchstückhaft Lobpreisungen auf Hellwah und seine strahlende Helligkeit murmelte, und erleichterte sich dann kichernd am linken Vorderrad ihres Wagens, nicht ohne dabei auch die eigenen Stiefel zu treffen. Gähnend überließ er dem dritten Ritter die erste Wache.
    »Ich brauche mehr Zeit«, murmelte Yanko verzweifelt. »Warum kannst du nicht die letzte Wache übernehmen?«
    »Das klingt nicht so, als wäre dir etwas eingefallen«, raunte Nica tonlos. »Mir leider auch nicht. Ben?«
    Stumm zuckte er mit den Schultern.
    Der Ritter, dessen Namen sie nicht kannten und den er wegen des Kleids in Gedanken den weißen Ritter nannte, schlenderte zu ihnen herüber und griente. Wie Friedbart hatte er auffallend kleine Ohren, wobei dem rechten auch noch das Läppchen fehlte. Über die ganze Wange verlief vom Mundwinkel bis ins dichte, hellbraun gelockte Haar eine alte rote Narbe, die bezeugte, dass er einmal dem Tod nur knapp entkommen war. Sie war breit und hässlich ausgefranst und ließ eher eine wilde Klaue als eine scharfe Klinge hinter der Wunde vermuten. Das linke Augenlid des Ritters zuckte stets nervös, während er sprach. »Das hättet ihr nicht gedacht, dass wir euch erwischen, was?«
    Keiner antwortete. Zornig starrte Yanko ihn an, und Nica versuchte sich an einem Lächeln, das ihr jedoch völlig misslang. Zu deutlich stand ihr die Abneigung ins Gesicht geschrieben.
    »Keine schlechte Idee, bei den Ketzern unterschlüpfen zu
wollen, aber wir sind auch nicht dämlich.« Der Ritter sprach langsam, fast lallend, und lachte. »Der kleine dreckige Drache mag mich im Gesicht erwischt haben, aber der Kopf funktioniert noch immer prächtig. Darum hab auch ich das Kleid gefunden. Ich und kein anderer. Das freut dich doch, Mädchen, oder?«
    Zögerlich nickte Nica. Ihre Mundwinkel zuckten, aber es war nicht zu erkennen, ob sie gleich lächeln oder weinen würde. Ihre Augen waren so kalt und hart, dass weder das eine noch das andere wahrscheinlich schien.
    »Gesprächig seid ihr nicht gerade, oder?«
    Wieder sagte keiner ein Wort. Ben hoffte, Yanko würde sich weiterhin im Zaum halten können und schielte zu Nica. Es lag an ihr,

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