Der Drachenflüsterer - Der Schwur der Geächteten
wir fort von hier. Doch wohin Norkham geflohen ist, können wir nur hier erfahren. In Vierzinnen, bei einem der hiesigen Ketzer. Wenn wir erst dem Drachen folgen, dann verlieren wir ihn.«
»Und warum verlieren wir den Drachen nicht?«
»Weil er dem Sieger eines Wettkampfs übergeben wird. Es wird uns ein Leichtes sein, dessen Namen und Herkunft auch noch Tage oder gar Wochen nach den chybhischen Spielen zu erfahren. Diese Namen werden nicht geheim gehalten, sondern stolz in die Welt geschrien. Und der Drache wird in seinen Stall gesperrt werden. Im Unterschied zu Norkham ist er nicht auf der Flucht und versucht, seine Spuren zu verwischen.«
Egal, wie vernünftig das klang, Ben wollte davon nichts hören. Was, wenn sich der Ritter geirrt hatte und sie den Drachen weder im Stall des Siegers noch dem des Abts oder hiesigen Fürsten fanden? Dann wäre es viel zu spät, eine neue Spur aufzunehmen, während der Orden bis dahin bestimmt den Hohen Norkham gefangen und aufgeknüpft hatte. Den Abt und den Fürsten aufzusuchen, würde lange genug dauern, schließlich wussten sie nicht, wo die zu finden waren.
Ben konnte nicht einmal sagen, in welchem Fürstentum des Großtirdischen Reichs Vierzinnen lag. Die Suche duldete einfach keinen Aufschub.
»Es sind aber keine wirklich sicheren Spuren«, beharrte Ben.
Doch das wollten nun Nica und Yanko ihrerseits nicht hören. Sie beharrten darauf, erst nach dem verschwundenen Ketzer zu suchen.
Aber diesmal würde sich Ben nicht umstimmen lassen. Erst kam der Drache, so war es beim Schwur gewesen!
Jeder brüllte dem anderen ein »Nein!« ins Gesicht, dann herrschte Stille. Die Drachen betrachteten sie neugierig, als erwarteten sie, dass der Streit weiterging. Doch Ben hatte keine Kraft mehr, und ebenso wenig ertrug er diese schwere, drückende Stille.
Um ihr zu entkommen, fragte er: »Was machen wir jetzt mit den beiden Rittern? Egal, wohin wir gehen, mitnehmen können wir sie schlecht.«
»Freilassen können wir sie auch nicht«, sagte Yanko. »Ihre Antworten haben uns auf die Fährte des Drachen gesetzt. Sie wissen, wo wir früher oder später auftauchen, und werden es dem Orden verraten. Es ist schon ärgerlich genug, dass sie wissen, dass du deine Haare geschoren hast und die Hose gewechselt. Und Nica ihr Kleid.«
Ben erwartete fast, dass Nica vorschlug, sie sollten die beiden aufknüpfen, denn Tote verrieten nichts, doch sie schwieg, kaute wieder einmal auf der Unterlippe herum und blickte stur ins Feuer. Nicht einen Augenblick sah sie Ben an, ganz so, als wäre er Luft.
Schön, sollte sie doch schmollen, dachte Ben. Er konnte sie auch ignorieren, wenn sie das wollte! Mädchen! Grimmig
wandte er sich ab und sah hinüber zu den zusammengekauerten Rittern.
Wenn sie sie einfach hier im Käfig ließen, würden sie entweder viel zu rasch entdeckt und befreit werden oder aber verdursten. Das war nicht besser, als sie hinzurichten. Was also tun?
»Ihr könntet sie doch einfach verbannen«, schlug Feuerschuppe vor.
»Verbannen?« Ben schüttelte den Kopf. »Und wie sollen wir das tun ohne Soldaten und Macht? In die Berge deuten und ihnen gebieten, das Land zu verlassen? Die lachen uns doch aus und drehen um, sobald wir sie allein lassen.«
»Ich habe nicht gesagt, ihr sollt sie hier laufen lassen.« Feuerschuppe grinste. »Die Burschen sind leicht. Juri schnappt sich einen, ich mir den anderen, und wir tragen sie über die Berge hinweg, weit hinein in das dort angrenzende Land, wenn möglich sogar über ein Meer, falls wir eines finden. Wenn wir sie dort, fern aller Siedlungen, aussetzen, an einem Ort, an dem eine andere Sprache gesprochen wird, dauert es bestimmt sehr, sehr lange, bis sie zurückfinden. Wenn sie sich überhaupt die Mühe machen und nicht dort ein neues Leben beginnen.«
Alle hielten das für eine hervorragende Idee. Selbst Nica sah auf und schenkte Feuerschuppe ein kurzes Lächeln. Und weil keiner den beiden Rittern mehr eine Frage stellen wollte, sollten sich Juri und Feuerschuppe sogleich auf den Weg machen.
Friedbarts Augen glänzten noch immer vom Genuss des Seherpilzes, in denen Zendhens zeigte sich pure Angst. Doch beide wehrten sich nicht, als sie von den Drachen gepackt wurden.
»Wir verbannen euch. Ein Schwert bekommt ihr nach der Landung, ihr sollt schließlich nicht wehrlos sein, wenn ihr auf wilde Tiere trefft«, sagte Ben.
Ein kurzer Hoffnungsschimmer glitt über ihre Gesichter, doch sie rührten sich nicht. Keine Proteste, kein
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