Der Drachenflüsterer - Der Schwur der Geächteten
Aufbäumen, nichts. Erst als die Drachen sie packten, wurde ihnen klar, was Verbannung in ihrem Fall bedeutete. Stammelnd rissen sie die Augen auf, Friedbart machte sich in die Hose, und dann erhoben sich Juri und Feuerschuppe. Ben sah ihnen nach, bis er die dunklen Schemen vor dem Sternenhimmel nicht einmal mehr erahnen konnte.
Als er sich umdrehte, hatten sich Yanko und Nica bereits hingelegt. Auch Yankos Gesicht war von Erschöpfung gezeichnet, Nica hatte sich abgewandt und schien bereits zu schlafen. Oder gab es zumindest vor.
»Lass uns alles morgen besprechen«, sagte Yanko. Er wirkte ebenso traurig wie müde. Dann drehte er sich um, legte den Arm um Nica und murmelte: »Gute Nacht.«
Ben wusste nicht, ob er oder Nica gemeint war. Stumm und allein stand er in der Dunkelheit und spürte Angst und Einsamkeit in ihm nagen. Nica hatte ihm seinen besten Freund genommen. Wenn sie Yanko irgendwann zwang, sich zu entscheiden, würde er niemals Ben wählen, diese Gewissheit spürte er tief in sich. Und sie würde ihn zwingen, sie tat es seit dem Schwur.
Langsam wandte er sich Aiphyron zu, der ihn mit seinen stets wachen Augen betrachtete. Dann holte er seine Decke und legte sich ganz nah zu dem Drachen, wie damals, als sie zu zweit den Sippa hinabgeschwommen waren. Von Aiphyron ging so viel Ruhe und Kraft aus, dass Bens Gefühl von Einsamkeit schrumpfte. Lächelnd sah er ihn an. Er wusste,
dass sich niemand an einen aufmerksamen Drachen heranschleichen konnte. Wer immer sich heute Nacht ein Kopfgeld verdienen wollte, der würde es mit Aiphyron zu tun bekommen. Der Drache schien der einzige Freund zu sein, auf den er sich wirklich verlassen konnte.
Ben kuschelte sich in die Decke, beachtete die spitzen Steine auf dem felsigen Untergrund nicht, die ihm in den Rücken stachen, und lauschte dem regelmäßigen Herzschlag Aiphyrons, bis er eingeschlafen war.
Als Ben erwachte, stand die Sonne hoch am Himmel. Das Feuer war längst verloschen, doch Aiphyron lag noch immer neben ihm. Auf der anderen Seite hatten sich Juri und Feuerschuppe einen Platz gesucht, sie waren zurück. Ihre Köpfe ruhten direkt neben ihm.
Über Nacht war in Ben eine Entscheidung gereift, die er gestern noch nicht deutlich hatte fassen können. Vielleicht hatte er es auch nur nicht wahrhaben wollen, doch nun wusste er es: Er musste die anderen verlassen.
Er wollte nicht sehen, wie sich Nica in ihren Wunsch nach Rache verrannte und von ihm aufgefressen wurde. Er ertrug es immer weniger, Yanko in die Augen zu sehen, weil er Nica geküsst hatte.
Alles hatte sich geändert.
Und davon abgesehen, waren der Ketzer und sein Drache getrennt worden. Um den Schwur zu erfüllen, war es in jedem Fall das Beste, wenn auch sie sich trennten und beiden Fährten zugleich folgten. Doch das konnte er den anderen nicht sagen, sie würden es ihm ausreden wollen, ihn mit Fragen bedrängen. Und dann käme der Kuss ans Licht. Ben konnte nicht mehr schweigen.
Ben schielte zwischen den Drachen hindurch und sah, dass Yanko und Nica noch schliefen. Rasch raunte er den Drachen zu, dass sie sich trennen müssten, weil sie zwei Spuren zu verfolgen hatten. Den Kuss erwähnte er nicht. Flehend bat er sie, seinen Plan mitzutragen. Und er musste auf der Stelle umgesetzt werden, bevor er den Mut dazu verlor.
Die Drachen sahen ihn mit einem Blick an, der verriet, wie wenig sie menschliches Verhalten manchmal verstanden. Doch sie nickten.
»Kein gemeinsames Frühstück?«, fragte Juri. »Und keine ordentliche Umarmung zum Abschied?«
»Nein.« Ben schluckte. Auf keinen Fall würde er Nica umarmen. Nicht heute. »Allein sind Nica und Yanko verloren. Könnt ihr bitte bei ihnen bleiben? Juri? Feuerschuppe?«
»Wenn du magst, gern. Wir verdanken dir unsere Flügel«, sagte Feuerschuppe.
»Auch wenn ich lieber der Spur des Drachen folgen würde«, ergänzte Juri.
»Ja, danke. Aber helft ihnen, diesen Ketzer zu finden, wenn sie es unbedingt wollen. Es ist ein Schwur.« Ein Schwur, den er selbst auch geleistet hatte, dessen Erfüllung ihm nicht erspart bliebe, was immer er jetzt sagen mochte. »Nur wenn sie uns folgen wollen, um mich umzustimmen, weigert euch bitte.«
Die Drachen nickten.
Dann vereinbarten sie, sich in einem Monat in ihrer Ruine bei Falcenzca wiederzutreffen. Ben strich den beiden Drachen freundschaftlich über die Schnauzen und schwang sich leise auf Aiphyrons Rücken. Sein Gepäck nahm der Drache fürs Erste einfach in die vordere Klaue.
»Weckt die beiden
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