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Der Drachenflüsterer - Der Schwur der Geächteten

Titel: Der Drachenflüsterer - Der Schwur der Geächteten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Koch
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getrocknetem Blut und Schlamm bespritzt, ein Flügel von dem spitzen Ast eines Baums durchstoßen, die Knochen des anderen vollkommen zerschmettert, als sei Kaedymia aus großer Höhe darauf gestürzt. Auch in der Brust schien ein abgebrochener Ast zu stecken, doch bei näherem Hinsehen erkannte Ben eine Art Pfeil, dicker als sein Arm, mit einer blutverschmierten Spitze aus Blausilber, die ihn zur Gänze durchbohrt hatte und aus dem Rücken ragte.
    »Was ist geschehen?«, fragte Aiphyron den Drachen und scheuchte Ben zugleich zu ihm hinüber.
    »Ich...« Wieder erschütterte ein Röcheln den verwundeten Drachen.
    »Nicht bewegen!«, befahl Ben und warf sich neben ihm auf die Knie. Schmerz und Mitleid, das er beim ersten Anblick empfunden hatte, waren verschwunden; er dachte nur noch an das, was er tun musste.
    »Hör auf ihn«, sagte Aiphyron. »Das ist Ben. Er ist ein Drachenflüsterer.«
    Ungläubiges Erstaunen spiegelte sich in Kaedymias Augen,
dann Hoffnung. Als Ben ihm die Hand auf die Brust legte und die Heilkräfte zu wirken begannen, schloss der Drache die Augen und seufzte schwer und glücklich.
    »Hilf mir«, keuchte Ben und forderte Aiphyron auf, Kaedymia auf die Seite zu drehen und ihm dabei den Ast aus dem Flügel zu entfernen, ganz vorsichtig. Dann hieß er Aiphyron die Blausilberspitze von dem Pfeil brechen. »Zieh ihn ganz langsam raus. Wenn du das getan hast, wechsel die Seiten und halte ihm das Loch im Rücken zu, ich kümmere mich zuerst um seine Brust.«
    Ben presste beide Hände auf die offene Wunde und zwang all seine Heilkräfte in den grauen Drachen. Blut quoll zwischen seinen Fingern hindurch, doch schon bald hatte er dessen Fluss gestoppt. Seine Handflächen pochten und kribbelten, sie brannten. Hundert kleine Nadeln schienen hineinzustechen, und dazu noch eine besonders lange, die sich bis zum Ellbogen hinaufbohrte. Er knirschte mit den Zähnen, stöhnte, schwitzte, fluchte und beschimpfte den Pfeil inbrünstig. Der war so gigantisch, dass er sich fragte, ob in diesem Sumpf etwa riesige Trolle lebten, die gelernt hatten, einen Bogen zu bauen.
    Bevor er zu ausgelaugt war, um sich auch um den Rücken zu kümmern, nahm er langsam die Hände von der Wunde. Sie hatte sich in einer Mischung aus weicher heller Haut und rostbraunem, rauem Schorf geschlossen. Tief atmete Ben durch und vertrieb das aufkommende Schwindelgefühl mit einem kräftigen Kopfschütteln. Dann schlich er um den Drachen herum und legte seine Hände dorthin, wo der Pfeil wieder ausgetreten war. Als er auch dort die Blutung gestoppt hatte, stürzte er keuchend auf die Knie.
    »Danke«, sagte Aiphyron.

    »Wasser«, entgegnete Ben. Er fühlte sich vollkommen ausgelaugt.
    Kaedymia atmete regelmäßig.
    Ben lächelte und trank gierig das Wasser, das Aiphyron ihm aus dem Fluss geschöpft hatte und ihm mit der hohlen Klaue unter die Nase hielt. Dann legte er sich auf den Rücken und starrte stumm in den Himmel, während langsam die Kräfte in ihn zurückflossen.
     
    Einen ganzen Tag lang legte Ben Kaedymia immer wieder die Hände auf, sandte seine Heilkräfte in den Körper des Drachen, bis dieser endlich die gelben Augen aufschlug. Nun strahlten sie viel lebendiger, und in ihnen glomm eine Wärme, die direkt von der Sonne zu stammen schien.
    »Ein Drachenflüsterer, ich bin wirklich überrascht. Und erfreut. Und zutiefst dankbar natürlich.« Kaedymias Stimme war wie das Säuseln einer warmen Sommerbrise.
    »Keine Ursache«, sagte Ben verlegen.
    »Das nenne ich Glück, dass ihr gerade in der Gegend wart.«
    »Nicht direkt in der Gegend. Wir haben dich gerochen«, erwiderte Aiphyron. »Aber jetzt sag schon, was ist passiert? Gibt es hier schießwütige Riesen?«
    »War das ein Troll?«, fragte Ben.
    »Nein, nein. Ein Mensch.«
    »Ein Mensch? Das ist unmöglich! Der Pfeil war beinahe drei Schritt lang!« Er hätte sogar einen großen Drachen wie Aiphyron durchbohren können, dachte Ben.
    »Nun, es war möglich. Sie hat ihn nicht mit einem Bogen abgeschossen.«
    »Sie?«
    »Ja, sie. Sie lebt in einem einsamen Turm am Meer, ganz am
Rande des sumpfigen Deltas. Ich hatte schon von ihr gehört, der Wind trägt viele Stimmen und Gespräche mit sich, und er wispert sie auch aus großer Entfernung an mein Ohr. Die besessene Gujferra wird sie genannt, denn sie hat geschworen, so lange als Einsiedlerin zu leben, bis der Orden der Drachenritter bereit sei, sie als Ritterin aufzunehmen, nicht nur als Jungfrau. Doch der Orden war nicht an ihr als

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