Der Drachenflüsterer - Der Schwur der Geächteten
zwei Spuren zugleich folgen können. Aber abgesprochen! Als Freund haute man nicht einfach ab und hinterließ einen Treffpunkt in einem Monat. Ein ganzer Monat! Da konnte so viel passieren.
Und dann auch noch Falcenzca. Erst wollte Ben dort nicht weg, und jetzt kehrte er schon wieder zurück. Dabei wurden sie dort mit Gewissheit gesucht! Was sollte das? Yanko wurde das Gefühl nicht los, dass da ein Mädchen dahintersteckte. Was sonst?
»Den da noch«, zischte Nica in diesem Moment, und Feuerschuppe stürzte beinahe lautlos und mit ausgestreckten Klauen in die Tiefe, während Nica den Hals des Drachen umklammert hielt. Blitzschnell packte er einen Passanten, der allein durch die Gassen gelaufen war und sie weder gesehen noch gehört hatte. Er war so überrascht, dass er nicht um Hilfe schrie und sich nicht wehrte. Nur ein erstauntes Gurgeln drang aus seiner Kehle.
»Das müsste reichen«, sagte Nica, als sie wieder oben bei Yanko war. »Lasst uns zurückfliegen und mit der Befragung beginnen.«
Erst als sie Vierzinnen ein gutes Stück hinter sich gelassen hatten, brüllte der schmächtige Mann in Feuerschuppes Klauen: »Hilfe! Ich werde entführt! Hilfe!«
»Sei ruhig«, knurrte der Drache und zeigte ihm die gefletschten Zähne, und der Mann verstummte auf der Stelle.
Sie kehrten zurück in die Klamm und steckten ihn in den
Käfig zu den anderen vier Männern und Frauen, die sie bereits aus Vierzinnen gefischt hatten.
»Jetzt zeigt mir eure Drachentätowierungen«, forderte Nica sie kurz danach auf, und weil sich keiner regte, fügte sie hinzu: »Wer keine hat, wird von unseren Freunden hier sofort verputzt. Um Mitternacht sind sie am hungrigsten.«
Juri zeigte sein lippenloses Grinsen und züngelte am Käfig herum.
Hastig rissen sich drei der Gefangenen die Kleider vom Leib und reckten ihnen einmal den Oberarm, einmal die Wade und auch den Rücken entgegen, wo sich ein grüner Drache direkt über dem Hintern schlängelte.
Drei von fünf waren also Ketzer, das war ein gutes Verhältnis, sie hatten Glück gehabt. Allen Drachen waren die Augen ausgebrannt.
»Bitte nicht«, flehten die anderen beiden Gefangenen und versicherten, dass sie ganz bestimmt ebenfalls Rechtgläubige von diesem Glauben seien, nur noch keine Zeit gefunden hatten, sich den grünen Drachen stechen zu lassen. »Ich bin ganz frisch übergetreten.«
»Beruhigt euch, bitte.« Nica lächelte. »Das war nur ein kleiner Scherz. Niemand wird gefressen.«
»Zumindest nicht wegen seines Glaubens«, ergänzte Yanko. »Wir haben einfach ein paar Fragen. Wenn ihr sie uns artig beantwortet, begnügen sich die Drachen mit Fisch.«
Juri grinste breit, so dass seine Zähne zu sehen waren, und patschte mit dem Schwanz auf den Boden.
»Sie mögen Fisch. Aber hier im Bach gibt es nur ganz kleine, davon wird kein Drache satt.«
»Wie auch immer, das soll nicht euer Problem sein«, sagte Nica. »Ihr seid Gäste, und die Fische sind zahlreich.«
Feuerschuppe grabschte blitzschnell nach etwas im Wasser, doch nicht schnell genug. Enttäuscht hob er die leere Klaue in die Höhe und sah hungrig zu den Gefangenen herüber. Er knurrte, vielleicht war es auch sein Magen. Yanko hatte Mühe, ernst zu bleiben, die beiden Drachen machten ihre Sache wunderbar.
Die Gefangenen wirkten verwirrt und verängstigt, hektisch sahen sie von Nica zu Yanko und wieder zu den Drachen.
»Keine Angst. Trotz Flügel sind die beiden ganz harmlos«, versicherte Nica im Plauderton und ließ Juri Sitz machen. Artig folgte er und hechelte wie ein Hund. Feuerschuppe schlug wieder nach einem Fisch, und diesmal erwischte er ihn. Genussvoll schlang er ihn herunter. In den Gesichtern der Gefangenen konnte man lesen, dass sie nicht wussten, ob sie beruhigt sein sollten oder nicht.
»Wie gesagt, wir hätten nur ein paar Fragen.« Yanko sah sie freundlich an und wartete, bis er ihre Aufmerksamkeit hatte. Dann legten er und Nica los, so wie sie es besprochen hatten. Sie fragten nach den Ordensrittern in der Stadt, nach den Gehenkten vor ihren Toren, nach den seltsamen Hamstern und den Nachtadlern, nach den Kopfgeldern für noch nicht konvertierte Ketzer, nach der ungeheuren Tiefe der Brunnen und der Anzahl der Brücken in Vierzinnen. Sie fragten nach dem Wetter und der Ernte der letzten drei Jahre, nach dem geschlossenen Tempel und der Anzahl der Drachen in der Stadt. Nach der Leibspeise des Torwächters und den Diebereien des kleinen Margulv. Ob die Blätter der Toteneiche auf dem Friedhof
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