Der Drachenflüsterer - Der Schwur der Geächteten
lag mit schlimmen eitrigen Beulen danieder, der Fluch Samoths hatte ihn niedergestreckt. Sehr schlimm stand es um ihn, und nur mit klarem Wasser aus der Quelle Hellwahs würde man diesen Eiter herauswaschen können, verkündete die weiseste Heilerin der Stadt. Zudem musste es noch vor dem Mittag des heutigen Tages geschehen, fuhr sie fort, da war es bereits kurz nach Sonnenaufgang.
Die Berater des Fürsten schüttelten darob die Köpfe, denn die Trolle waren zahlreich und hungerten nach Menschenfleisch. Es entspann sich ein hitziger Streit, wie viele Kämpfer man aussenden sollte, wie viele nötig seien, den Unholden in den Klüften des Bergs entgegenzutreten. Lautstark brüllten sie aufeinander ein, während die Sonne immer höher stieg.
Nur einer wartete das Ergebnis des Geschreis nicht ab.
Lachend sprang der junge Held Vasdheen in den See und schwamm auf die Quelle zu. Er wusste, die Trolle scheuten Hellwahs Wasser und würden ihn nicht direkt angreifen, solange er den Reinen Bach nicht verließ. Gefahr drohte ihm nur von den Steinen und Felsbrocken, die die Trolle nach ihm schleudern würden, und von den dicken Ästen und Keulen, mit denen sie nach ihm hieben würden. Doch da vertraute er auf seine Schnelligkeit.
Und das zu Recht. In wildem Lauf hetzte er den Reinen Bach hinauf, wich Steinen und Stöcken aus, tauchte unter ihnen hindurch und setzte über sie hinweg, erkletterte dabei Wasserfälle und ließ sich von den stärksten Stromschnellen nicht fortspülen. Mit stechender Brust erreichte er die Quelle und füllte seinen Wasserschlauch mit dem klarsten heilbringenden Wasser, das dort entsprang. Ohne Pause raste er wieder zu Hellwahs Spiegel hinab. Dabei wurde er von einem Felsen getroffen, rappelte sich jedoch blutend wieder auf und stürzte weiter. Der Wasserschlauch war nicht beschädigt worden.
Mit letzter Kraft erreichte er den Fürstenpalast noch vor der Mittagssonne, und die Heilerin konnte den sterbenden Jungen retten, und auch den blutüberströmten Helden. Dieser aufopferungsvollen Tat zu Ehren wurde das Rennen veranstaltet.
Yanko erinnerte diese Geschichte auffallend an die Legende über den ersten Drachenflüsterer, wie die Drachen sie erzählten und wie Ben sie wiederum ihm erzählt hatte. Eine Legende darüber, wie man der rohen Gewalt der übermächtigen Trolle mit Geschick und Schnelligkeit entkam.
Wenn die Leute aus Vierzinnen mit ihren Vermutungen
Recht behielten, dann würde der Hohe Norkham an diesem Wettkampf teilnehmen. Yanko und Nica hatten sich eine Beschreibung geben lassen und waren sicher, ihn zu erkennen. Schweigend starrten sie den Bach hinab. Dem Geschrei der Zuschauer nach zu urteilen, stürmten die ersten Läufer bereits den steilen Berg herauf. Hier kamen sie nur noch langsam voran, ausgelaugt von den ersten Meilen mussten sie nun hangaufwärts gegen die Strömung ankämpfen, gar kleinere Wasserfälle hochsteigen, und dabei vermeiden, auf den glatten Steinen auszugleiten und wieder hinabgespült zu werden.
Und sie mussten sich der Angriffe der anderen Läufer erwehren, wie Yanko feststellte, als die Ersten beiden in Sichtweite auftauchten. Sie hatten die anderen ein Stück weit abgehängt, doch zwischen ihnen war ein erbitterter Zweikampf entbrannt. Ein hochgewachsener junger Mann mit langem schwarzen Haar und einem dünnen Bart auf der Oberlippe sprang mit weiten Sätzen seiner langen dünnen Beine voran. An seiner Seite stürmte ein nicht ganz so großer und älterer Mann mit muskulösen Armen und starken Oberschenkeln durchs Wasser. Wilde Entschlossenheit brannte in seinen Augen, die im Schatten buschiger Brauen lagen, und wenige Tage alte Bartstoppeln sprossen in seinem Gesicht. Auf dem linken Oberarm prangte eine handtellergroße, verkrustete Wunde. Klatschnass patschten die knielangen Lendenschurze gegen ihre Oberschenkel.
Beide Männer rempelten sich mit den Schultern an und gerieten ins Straucheln, doch keiner stürzte. Allzu viel Zeit und Kraft verschwendeten sie nicht auf diese Kämpfe, denn die ersten Verfolger nahten bereits, und es galt, sich von ihnen nicht mehr einholen zu lassen. Beide schnauften und keuchten heftig, ihre Gesichter waren von Erschöpfung gezeichnet.
»Das ist er«, zischte Nica plötzlich.
»Das? Aber...?«
»Den Bart hat er sich zur Tarnung wachsen lassen. Und auf dem Oberarm...«
»... hat er sich die Drachentätowierung herausgeschnitten.«
»Oder sie so weit aufgeschürft, dass das getrocknete Blut sie verdeckt.«
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