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Der Drachenflüsterer - Der Schwur der Geächteten

Titel: Der Drachenflüsterer - Der Schwur der Geächteten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Koch
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einer der Büttel mit scharfer Stimme. Er klang jung, als wäre er nicht viel älter als sie, und in der Tat
erkannten sie im flackernden Licht, dass in seinem rundlichen Gesicht nur spärlicher Flaum wuchs. Auch der andere wirkte kaum älter, obgleich kantiger und rasiert. Es schien so zu sein wie überall – die unliebsamen Aufgaben mussten stets die Frischlinge erledigen.
    »Nur drei Neugierige, die dem Gehenkten ihre ganze Verachtung vorbeibringen wollen«, antwortete Yanko und versuchte, ausgesprochen freundlich und vollkommen harmlos zu klingen.
    »Mitten in der Nacht?«
    »Das Stadttor ist bereits geschlossen. Wir waren zu spät dran und durften nicht mehr hinein. Viel anderes gibt es für uns nicht zu tun«, log Ben, während sie nebeneinander die auf geschüttete Terrasse hinaufstapften. »Im überfüllten Schankraum vor dem Tor haben wir von der Hinrichtung erfahren, und da wir die Fackeln brennen sahen, sind wir gekommen.«
    Ganz verschwand das Misstrauen nicht aus den Gesichtern der Büttel, doch als sie bemerkten, wie jung die drei Freunde waren, und dass sie keine großen Waffen mit sich führten, entspannten sie sich merklich.
    »Hunderttausend Schauergeschichten haben sie uns von seinen Untaten erzählt, nur den Namen des ketzerischen Verräters konnte man uns nicht verraten«, ergriff wieder Yanko das Wort.
    »Es ist der Hohe Norkham, der hier baumelt«, sagte der Büttel eifrig. »Ein rücksichtsloser Anführer der schlimmsten Ketzer.«
    »Aber erst jetzt macht er seinem Namen alle Ehre«, mischte sich der Zweite mit hoher Stimme ein. »Er hängt hoch, der Hohe Norkham.«
    Beide lachten rau, als wäre das ein besonders gelungener
Scherz. Auch Ben verzog die Lippen zu einem Grinsen, um die beiden bei Laune zu halten. Der Tote war es also wirklich.
    Mit bebenden Lippen stellte sich Nica vor den Gehenkten. Wie er da in der Dunkelheit hing, nur schwach erleuchtet vom Licht der Fackeln und Sterne, wirkte er viel schmächtiger und schwächer als noch bei der Jagd im Reinen Bach. All die Entschlossenheit in den Augen war erloschen, sie waren glasig und leer. Die eingefallenen Wangen wirkten grau, das Gesicht war verzerrt vor Schmerz oder Angst.
    Der Nachtadler saß auf einem Galgen am anderen Ende der Terrasse und schwieg.
    »Du dreckiger, stinkender Sohn eines Trolls!«, brach es plötzlich aus Nica hervor. Sie spuckte ihm gegen die nackte Brust. »Ich hoffe, dein Tod war qualvoll!«
    So viel Hass und Verzweiflung schwang in ihrer Stimme mit, dass die beiden Büttel sie verwundert mit Blicken maßen. Einem schien eine lustige Bemerkung auf den Lippen zu liegen, doch er wagte es nicht, sie auszusprechen und murmelte nur leise vor sich hin: »Ja, zeig’s ihm, Mädchen.«
    Nica ballte die Fäuste und öffnete die Hände wieder. Sie atmete schwer. Verzweifelt und um ihre Rache gebracht, schlug sie schließlich mit der Faust gegen seine baumelnden Oberschenkel, zweimal, dreimal, so dass Norkham hin und her schwankte. »Ich hoffe, du findest niemals Ruhe! Hörst du? Niemals!«
    »He, Mädchen, das...«, setzte der Büttel mit dem Gesichtsflaum an, doch Nica wandte sich von allein ab.
    »Gehen wir«, sagte sie zu Ben und Yanko, und gemeinsam schritten sie davon, in Richtung der Mulde, in der die Drachen auf sie warteten.

KRAWINYJAN
    D rei Tage lang hielten sie sich in dem Wäldchen verborgen und beobachteten abwechselnd aus der Luft die Straße, die aus Chybhia herausführte, um zu sehen, ob der Sieger der Jagd die Stadt verlassen würde. Hinein wagten sie sich nicht mehr, solange Herr Arthen dort war. Möglicherweise hatte dieser sogar neue Steckbriefe dabei und sie inzwischen auch ausgehängt.
    In der ersten Nacht und am folgenden Tag hatte Nica immer wieder getobt, dass sie um ihre Rache betrogen worden war, doch sie gab weder Yanko noch Ben die Schuld. Ja, nicht einmal Herrn Arthen. Der Einzige, den sie wüst beschimpfte, war der Hohe Norkham, wie er so dämlich hatte sein können, sich fangen zu lassen. Von einer Gruppe trolldummer Ordensritter. »Ein Kesselflicker! Als würde das nicht jeder durchschauen, du moderndes Wurmfutter!«
    Sie keifte die leere Luft an, schrie hinaus, was sie ihm gern zu Lebzeiten an den Kopf geworfen hätte, jede Abrechnung, die sie hundertmal in Gedanken durchgespielt hatte. Von der sie Tag und Nacht geträumt hatte.
    Doch auch wenn sie um ihre Vergeltung gebracht worden war, mit jedem Tag wurde sie ruhiger. Der angesammelte Hass, den sie aus sich herausschrie, wurde vom Wind

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