Der Dreissigjaehrige Krieg
Protestanten: Wir »müssen unsere unterdrückten Religionsverwandten von dem päpstlichen Joche befreien«. Die Schweden, so ihr König, sollten sich »als wahre Erben und Abkömmlinge der alten Goten erweisen, die zu ihrer Zeit fast die ganze Welt erobert und über Hunderte von Jahren hinweg geherrscht haben«. Der Goten-Mythos gilt den Schweden als geistiger Kraftquell. Der kommende Kampf, sagt Gustav Adolf, sei auch ein »Krieg zur Verteidigung unseres Vaterlandes. Entweder müssen wir gehen und den Kaiser in Stralsund aufsuchen, oder er wird kommen und uns in Kalmar begegnen«, einer Hafenstadt im Südosten seines Landes.
Schwedens Stellung als Großmacht im Ostseeraum ist zunehmend bedroht, seit kaiserlich-katholische Truppen 1627 in Wismar einzogen, das sie zum »Reichskriegshafen« erklären. Im Jahr darauf fällt Rostock, und die Kaisertreuen beginnen, eine Flotte zu bauen. Schon wird ihr Feldherr Albrecht Wallenstein, seit 1628 auch Herzog von Mecklenburg, zum »General des baltischen und ozeanischen Meeres« ernannt. Der Schwedenkönig folgt daher der imperialen Logik, dass eine Seemacht die gegenüberliegende Küste kontrollieren sollte. Ende Mai 1630 schifft sich Gustav Adolf im Hafen von Älvsnabben bei Stockholm an Bord des Segelschiffes »Tre Kronor« ein. Eine Flottille mit 13.000 Mann überquert die Ostsee und landet am 6. Juli bei heftigem Gewitter auf Usedom.
Quelle: ALFREDO DAGLI ORTI
Kühler Weitblick:
Schwedens König Gustav II. Adolf war für kurze Zeit
der mächtigste Mann Mitteleuropas
Nahe der Peenemündung lässt sich der König in einer Schaluppe ans Ufer rudern. Dort kniet er nieder und betet für den Sieg. Die kaiserlichen Gegner auf Usedom und der Nachbarinsel Wollin räumen kampflos ihre Posten. So beginnt die Invasion eines fremden Heeres in Deutschland. Doch dessen oberstem Befehlshaber sind die Deutschen nicht fremd. Gustav Adolfs Mutter ist Deutsche, ebenso wie seine Frau, die Hohenzollern-Prinzessin Maria Eleonara von Brandenburg. Deutsch spricht er seit seiner Kindheit. Deutsche umgeben ihn als Offiziere, Geistliche, Gelehrte und Beamte. Deutscher Herkunft sind führende Gestalten des Bürgertums in Schweden und dem von ihm beherrschten Finnland und Estland. Auf Deutsch schreibt seine Tochter dem »herzvielgeliebten Herrn Vater« und verspricht, sie werde »allzeit fromm sein und fleissig beten lernen«. Überwiegend in deutscher Sprache korrespondiert er mit seinem Reichskanzler Axel Oxenstierna, der in Rostock, Wittenberg und Jena studiert hat.
Gustav Adolf kennt Deutschland aus eigener Anschauung seit einer Reise, die er 1620 inkognito unternahm. Erstklassige Informationen aus dem nahen Nachbarland liefern ihm die geheimen Berichte seiner Auslandsaufklärer. Ein Netz schwedischer Agenten und Unteragenten durchzieht das Reich. Einer der besten Späher ist der Diplomat Anders Svensson. Von 1626 bis 1630 berichtet der nach Hamburg entsandte Resident über wirtschaftliche und politische Entwicklungen. Der gebildete Bürgersohn stützt sich auf Informanten aus schwedenfreundlichen, protestantischen Kreisen. So erfährt der König etwa im Mai 1627 von der antikaiserlichen Partisanenbewegung im Harz, den Harzschützen, aber auch von einem Stimmungsumschwung in anderen protestantischen Regionen.
Immer mehr Deutsche, so heißt es in Berichten aus dem gleichen Jahr, hoffen angesichts der Stärke der Kaiserlichen und der katholischen Liga auf Hilfe von außen. Dabei mischen sich Wunsch und Wunderglaube, verbunden mit biblischen Bildern. So wollen in Holstein zahlreiche Menschen Zeichen am Himmel gesehen haben, die das Heranrücken mächtiger Heerscharen »aus Mitternacht«, also aus dem hohen Norden ankündigen. Viele Deutsche erwarten, nicht zum letzten Mal in ihrer Geschichte, von fremden Mächten Großes und Selbstloses. Die schwedische Propaganda greift diese Stimmungen im Krieg auf, indem sie den schwedischen König als den rettenden »Löwen aus Mitternacht« präsentiert. Dessen Soldaten stoßen von Usedom aus zügig weiter vor.
Am 20. Juli 1630 ziehen sie in Pommerns Landeshauptstadt Stettin ein und verpflichten den nur mäßig begeisterten pommerschen Herzog auf ein »ewiges« Bündnis. Kurz darauf besetzen sie Anklam und Wolgast, am 20. September kommen die Schweden nach Stralsund und marschieren weiter nach Mecklenburg. Im April 1631 erobern sie Frankfurt an der Oder und bald darauf Landsberg an der Warthe, östlich der Oder. Ende April gibt der König Befehl,
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