Der Dreitagemann - Der Dreitagemann - The Pursuit of Alice Thrift
er fort. »Und Sie sind die letzte Eheschließung heute. Sie können sich so viel Zeit lassen, wie Sie möchten. Möchten Sie ein paar Minuten allein sein? Oder möchten Sie gerne jemanden anrufen?«
»Warum?«, fragte ich.
Er nickte seiner Sekretärin zu, die mich in eine Nische führte.
»Sie sehen nicht sehr glücklich aus«, flüsterte sie mir zu. Ich erklärte, ich sei eine übermäßig ernste Person, so ernst, dass ich mir selbst im Wege stünde. Ich überlegte, ob ich den Asperger-Verdacht meiner Mutter anführen sollte, um meine Worte zu unterstreichen, nahm aber davon Abstand, falls der Staat Massachusetts im Falle von Bräuten mit einer Behinderung die elterliche Zustimmung verlangte.
»Noch etwas«, sagte die Sekretärin im Vertrauen. »Mir ist aufgefallen, dass Sie ohne Ansteckblume oder Brautstrauß gekommen sind. Bräute tragen normalerweise Blumen, selbst wenn die nur aus einem Eimer im Supermarkt kommen. Und oft sind auch Freunde und Familienangehörige anwesend.«
»Er wollte mir ja Blumen kaufen«, sagte ich. »Aber ich hätte nicht gewusst, was ich auf der Autofahrt nach Cape Cod damit hätte anfangen sollen.«
»Ihre Eltern leben in einem anderen Staat«, rief Ray herüber. »Und meine sind verstorben.«
Die Sekretärin betrachtete stirnrunzelnd mein schwarzes Kostüm, nicht gerade ein Hochzeitskleid, aber auch nicht Krankenhausweiß oder Chirurgenblau. »Wie lange kennen Sie ihn schon?«, fragte sie.
»Ein paar Monate. Und davor kannten wir uns schon aus beruflichen Gründen.«
»Ich hätte nicht damit anfangen sollen, dass sie nicht so verrückt nach mir ist wie ich nach ihr«, schaltete sich Ray jetzt ein. »Da hat mein Minderwertigkeitskomplex aus mir gesprochen. Aber wenn es das ist, was uns jetzt aufhält, dann fragen Sie sie doch, was sie sonst noch für einen Grund haben könnte, mich zu heiraten, wenn nicht aus leidenschaftlicher Liebe?« Er zwinkerte. Ich wusste, worauf er anspielte: Liebe auf dem Klappbett. Liebe als transitives Verb. Liebe als Endprodukt von Pheromonen.
»Ich bin weder reich noch schön«, fuhr Ray fort. »Aber zufällig habe ich ein Herz so groß wie Disney World, und glücklicherweise habe ich jemand gefunden, der Loyalität und Persönlichkeit höher schätzt als gutes Aussehen und tiefe Taschen.«
»Ray und ich sind extrem kompatibel«, sagte ich, kehrte an seine Seite zurück, hängte mich bei ihm ein und vergaß auch nicht zu lächeln. »Was, wie ich glaube, überaus gut mit einer gelungenen Ehe korreliert.« Ich platzierte einen außerplanmäßigen Kuss auf seinen Mund, was anscheinend die Fragen der anderen Anwesenden beantwortete und alle Beteiligten zufrieden stellte.
»Wo waren wir stehen geblieben?«, fragte der Standesbeamte.
Rays inflationäre Erwähnung des Wortes Flitterwochen in seinen Verhandlungen mit dem Mann am Empfang bescherte uns nur wenige Minuten, nachdem wir unsere kiefergetäfelte Suite in Besitz genommen hatten, einen Teller mit einem Apfel, einer Birne, einer Banane und einer Orange. Unsere Unterkunft lag nicht im Hauptgebäude, sondern am äußersten Ende der motelartig im Halbkreis angelegten Wohneinheiten hinter dem Restaurant. Dem Gast wurde zwar vollmundig »frischer direkt vor der Haustür gefangener Fisch« verheißen, doch alles, was von unserem Zimmerfenster aus zu sehen war, war ein dreckiger Tümpel. Die Karte war adressiert wie Ray uns eingetragen hatte: Dr. und Mr. Ray Russo. Ich hatte mir bisher keine Gedanken über Nomenklatur gemacht, merkte aber nun, wie ich hoffte, sehr taktvoll an, dass all meine Diplome auf den Namen Thrift ausgestellt waren. Die Kontinuität der Namen würde das Leben da doch erheblich erleichtern.
Ray stimmte begeistert zu. »Selbstverständlich. Eine Alice Russo war niemals auf der Harvard Medical School. Wie könntest du dir gerahmte Diplome in deine Praxis hängen, die nicht zu dem Namen an der Tür passen?«
»Ich dachte, ich müsste darüber erst lang und breit mit dir diskutieren.«
»Mit mir? Der ich glaube, dass der Titel ›Dr.‹ viel wichtiger ist als ›Mrs.‹? Der dich durch deinen Beruf kennen gelernt hat? Der nicht zugelassen hat, dass du alles hinschmeißt, als du ganz unten warst? Der versprochen hat, nie über deine Arbeitszeiten zu jammern oder dir mit so’nem pubertären Scheiß zu kommen wie ›Du liebst deine Arbeit mehr als mich‹?«
Ich sagte, ich könne mich zwar an diese spezielle Unterhaltung nicht erinnern, aber trotzdem, danke. So viel Verständnis
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