Der Dreitagemann - Der Dreitagemann - The Pursuit of Alice Thrift
»Leo!«
Ich sagte: »Vielleicht kennen Sie ihn nicht so gut, wie Sie denken. Oder vielleicht kann jemand ja auch ein angenehmer Gesellschafter sein aus Gründen, die nichts mit seinem IQ zu tun haben.«
»Ich glaube, Alice ist verliebt«, meinte Meredith.
»Lassen Sie mich darauf antworten«, sagte Sylvie. »Alice findet etwas an Ray, das einem Außenstehenden nicht so leicht ins Auge fällt - mich eingeschlossen.«
»Es lassen sich gewisse Fortschritte bei mir feststellen«, sagte ich.
»Wie zum Beispiel?«, fragte Meredith.
»Ich komme mit weniger Schlaf aus. Ich bin anerkanntermaßen weniger angespannt bei der Arbeit. Manchmal sage ich, was ich denke. Demnächst bekomme ich auch einen Fernseher.«
»Du machst dich schick«, sagte Leo und schnippte sich gegen eines seiner eigenen Ohrläppchen, um zu zeigen, dass ihm mein neuer Schmuck aufgefallen war.
»Sieht also so aus, als sei ich die Einzige, die noch einen Freund braucht«, sagte Sylvie jetzt fröhlich.
Leo tat erstaunt und ruckte mit dem Kopf, als müsse er etwas verstehen, das nur schwer zu fassen war. »Wie in dieser Anrufer-Sendung im Radio?«, fragte er. »Da hör ich immer diese weiblichen Stimmen, die in Liebesdingen um Rat fragen.« Seine Kopfbewegungen erregten die Aufmerksamkeit des Kellners, der über zwei Tische hinweg rief: »Bin gleich bei Ihnen.«
»Dreimal vietnamesisches Bier?«, fragte Leo uns.
»Klar«, sagten Sylvie und ich.
»Haben Sie Milch?«, rief Meredith hinüber zum Kellner. »Auf der Karte sehe ich keine, und ich bin schwanger.«
Der Kellner sagte: »Ja. Eine Minute.«
»Wenn es fettarme ist, nehme ich ein Glas«, sagte sie. »Sonst -«
»Bestell doch einfach«, sagte Leo.
Genau in dem Moment, als sie mit ihrer Suppe anfing, die Nudeln fachmännisch um die Stäbchen gewickelt, ging ihr Piepser los.
»Sagen Sie bloß«, meinte Sylvie.
Aber Meredith lächelte, als erteile sie uns, die wir unter unseren Arbeitszeiten litten, gerade eine Lektion in Selbstbeherrschung. Dann entschuldigte sie sich und machte sich auf die Suche nach einer ruhigen Ecke.
»Muss sie rein?«, fragte Sylvie Leo.
»Höchstwahrscheinlich.«
Niemand sagte ein Wort, bis sie mit einem Kellner im Schlepptau zurückkam, der etliche Behälter zum Mitnehmen brachte. »Tut mir Leid, aber ich brauche den Wagen«, erklärte Meredith.
»Wie weit ist der Muttermund schon geöffnet?«, erkundigte sich Sylvie.
Meredith holte aus. »Darauf verlassen sich vor allem die Ärzte, um ihre Ankunftszeit zu optimieren. Wir hingegen bemühen uns, die Mutter vom Anfang bis zum Ende zu betreuen.«
»Selbstverständlich«, sagte Sylvie.
»Alles Gute«, sagte ich. »Hoffentlich geht’s schnell.«
»Ich nehme an, niemand hat etwas dagegen, mit der Straßenbahn nach Hause zu fahren«, fragte sie, während sie sich den Mantel über die Schultern warf.
»Nein. Kein Problem, geht in Ordnung«, sagten wir in unterschiedlichen Graden der Begeisterung.
»Solch ich dich zum Wagen begleiten?«, fragte Leo.
Sie beugte sich schon zu einem Abschiedskuss vor, da hielt sie auf halber Strecke inne und sagte: »Ja, bitte.«
Leo war lange genug weg für einen Gedankenaustausch zwischen Sylvie und mir.
»Pass gut auf, was ich dir sage: Ärger im Paradies«, war ihr Kommentar.
»Warum mögen wir sie bloß nicht?«, fragte ich sie.
Sie sah prüfend zur Tür, dann sagte sie: »Wir mögen sie nicht, weil wir die Spannung spüren, die zwischen den beiden herrscht. Und wir wissen, dass es da einen kleinen Riss im Gewebe dieser Beziehung gibt. Und vielleicht können wir ja einen Fingernagel da hineinbohren und den Schaden ein bisschen vergrößern - »
»Aber warum?«
»Warum? Weil Leo ganz offensichtlich unglücklich ist und als Faustpfand für Merediths Verlangen nach einer Kernfamilie herhalten muss. Nein, korrigiere: Verlangen nach einem Baby, Punkt. Ihn braucht sie gar nicht! Ich kann mir die Entbindung lebhaft vorstellen - ein Hebammengeschwader, dass sich auf eine der ihren herablässt. Leo darf in irgendeiner Ecke stehen und die Eiswürfel bereithalten.«
Ich fragte - tapfer, wie mir schien -: »Meinst du nicht, Leo kann sich selbst verteidigen? Ich meine, du kennst ihn noch nicht mal eine Stunde und bist schon Vorsitzende seines Beschwerdeausschusses.«
Sylvie strahlte - nicht mich an, sondern Leo, der offensichtlich nicht schnell genug zu uns zurückkommen konnte.
Wir gingen in eine Bar. Ich kam mir vor wie das klassische fünfte Rad am Wagen - verdirbt
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