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Der Dreitagemann - Der Dreitagemann - The Pursuit of Alice Thrift

Der Dreitagemann - Der Dreitagemann - The Pursuit of Alice Thrift

Titel: Der Dreitagemann - Der Dreitagemann - The Pursuit of Alice Thrift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elinor Lipman
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hätt ich’s vergessen: Mein größtes Anliegen war natürlich, weil’s ja Alice erstes Mal war, dass sie alles kriegt, was dazugehört.«
    Mein Vater sagte: »Da haben wir ja ähnliche Anliegen.« Er wartete ein paar lange Sekunden. »Die ich vielleicht unter der Rubrik Eignung subsumieren würde.«
    Keiner sagte etwas. Mein Blick wanderte von einem Gesicht zum nächsten. Ray schien unbeeindruckt. Mein Vater trug angestrengte Diplomatie zur Schau, meine Mutter war ein Bild äußerster Verwirrung à la ›Plane ich jetzt eine Hochzeit oder nicht?‹. Sylvie war das Ganze offensichtlich am unangenehmsten. Sie erhob sich und sagte: »Ich will ja nicht ungastlich sein, aber ich glaube, das ist eine Diskussion, die im Familienkreis fortgeführt werden sollte.«
    »Sie hat Recht«, sagte mein Vater. »Gehen wir zurück in Alices Zimmer.«
    »Bin ich eingeladen?«, fragte Ray.
    »Ich glaube, genau darum geht es«, sagte ich.
    Meine Mutter sagte: »Hat mich wirklich gefreut, Sie kennen zu lernen, Sylvia. Ich weiß, wir sehen uns wieder.«
    »Nehmen Sie die Pralinen mit«, meinte Sylvie. »Ich versuche, mich mit Koffein zurückzuhalten, vom Fett gar nicht zu reden.«
    »Wovon reden Sie?«, sagte Ray. »Sie sehen toll aus. Wenn es jemand gibt, der keine Diät braucht, …«
    »Schönen Dank auch, Ray«, antwortete Sylvie. »Und Alice? Du meldest dich, wenn deine Gäste aufbrechen?«
    Ray fragte: »Könnten wir dieses Frage- und Antwortspiel auch in einem Restaurant spielen? Alice ist sicher schon am Verhungern.«
    »Gibt es hier in der Nähe was Anständiges, wo man sich auch unterhalten kann?«, fragte meine Mutter.
    »Wir sind hier in Boston«, sagte Ray. »Sie wünschen, wir servieren: ruhig, laut, groß, klein, für Feinschmecker, Chinesisch, Italienisch, Fisch, Sushi -«
    »Fahren wir heute noch zurück?«, wollte meine Mutter wissen.
    »Könnten wir vielleicht hinübergehen und diese Themen eins nach dem anderen erörtern?«, verlangte mein Vater.
    Wir gingen hinüber. Ich musste das Bett herausklappen, damit wir alle sitzen konnten. Ohne eine Außenstehende als Moderatorin schlug mein Vater zunehmend barschere Töne Ray gegenüber an und stellte Fragen nach Einkommen, beruflicher Entwicklung und Sicherheit. Schulbildung. Gesetzeskonflikten. Lebensversicherung. Schulden. Liquidität.
    Ich zuckte bei jeder Frage zusammen, handelte mir damit aber nur selbst väterlichen Rüffel ein. »Ich frage nur nach dem, was du, wie ich hoffe, schon weißt. Wonach jede umsichtige Frau sich erkundigen würde, bevor sie Hals über Kopf einen Mann heiratet, den sie kaum kennt, und der anscheinend sehr viel Zeit hat.«
    »Also, wenn du’s genau wissen willst, Dad, ich hatte keinen Grund, ihn nach seinen letzten zehn Steuerrückzahlungen zu fragen. Ich wollte weder eine Hochzeit arrangieren noch meine Mitgift ausrechnen. Ich wollte ihm keine Hypothek gewähren und war auch nicht Vorstand einer Genossenschaft.«
    »Sie hat sich verliebt, Bert«, sagte meine Mutter.
    »Und umgekehrt«, sagte Ray. »Es ist einfach über uns gekommen.«
    »Und er hat ihr einen Antrag gemacht«, fuhr meine Mutter fort. »Und weil es für ihn schon die zweite Ehe war, hielt er eine große Hochzeit nicht für angemessen. Also haben sie heimlich geheiratet und nachher bedauert, dass sie Alice damit um etwas Formelleres, etwas von tieferer Bedeutung gebracht haben. Ich kann da absolut nichts Unheilvolles erkennen, wenn man etwas nachträglich richtig machen will.«
    »Niemand redet von unheilvoll «, sagte mein Vater. Er wandte sich an mich. »Alice? Kannst du dir vorstellen, warum wir bei dem Ganzen die Krise kriegen?«
    Ich nickte.
    »Weil Alice ganz nach ihren Eltern kommt!«, mischte Ray sich ein. » Krise ist ihr zweiter Vorname. Aber ich verstehe das. Ich weiß, sie kriegt die Krise, wenn sie daran denkt, sich auf die Suche nach einem Brautkleid machen zu müssen. Zum Friseur zu gehen, sich für ein Besteck zu entscheiden. Sich eine Band auszusuchen, ganz zu schweigen davon, vor Hunderten von Leuten zu tanzen -«
    »Und die ganzen Dankkarten«, zwitscherte meine Mutter.
    Ich sah sie an. Sie hatte ihre leicht behinderte, unbeliebte Tochter unter die Haube gebracht. Die Einwände ihres Gatten waren vorgebracht und zur Kenntnis genommen worden. Alice wollte keine Annullierung. Die Mutter der bräutlichen Ehefrau konnte endlich ihres Amtes walten und eine Märchenhochzeit arrangieren, ohne sich Sorgen machen zu müssen - außer es käme zu einer Scheidung -,

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