Der Dreitagemann - Der Dreitagemann - The Pursuit of Alice Thrift
dem Logo der Universität Michigan hinterlassen hatten, in diesen Räumen an gebrochenem Herzen gestorben war.
Ich näherte mich dem Schrankbett, höchstwahrscheinlich Beweisstück A bei der gerichtlichen Untersuchung der Todesursache, in der Furcht, seine verborgenen Flächen und schmuddeligen Laken könnten den Räucherapparaten entgangen sein. Mit angehaltenem Atem klappte ich das Bett herunter. »Das ist ja wunderbar«, rief meine Mutter beim Anblick der nigelnagelneuen, plastikverpackten, wasserblau-silbernen Matratze mit dem Aufdruck »extrafest«.
»Siehst du? Ich hab alles, was ich brauche. Ein Bett, zwei Stühle, zwei Klapptische.«
Sie hielt dagegen: »Bücherregal, Kommode, Couchtisch, Nachttisch, Frisiertisch, Fernseher, Stereoanlage … Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll.«
Ich führte sie zum Einbauschrank und zeigte ihr die weißen ausziehbaren Drahtkörbe. Ebenso die eingebauten Bücherregale, von findigen Architekten für fleißig studierende Ärzte entworfen. Denn andere Mieter waren hier nicht zu erwarten. Das sollte doch wohl reichen? Die Zeitschriften konnte ich im Wäscheschrank unterbringen, wo meine bescheidene Ausstattung an Bettwäsche und Handtüchern ihnen genug Raum ließen.
»Wenn es ums Geld geht - ich kauf dir, was du brauchst. Und wenn ich nach Hause komme, sehe ich mich in Nanas Wohnung nach passenden Dingen um. Du liebe Zeit, du hast ja nicht mal ein Sofa! Oder einen Schreibtisch!«
»Können wir das Thema wechseln?«, fragte ich sie.
»Was hat dich eigentlich dazu bewogen, umzuziehen, noch dazu, wo’s nur auf der anderen Straßenseite ist? Du bist doch mit deinem Wohnungsgenossen fabelhaft ausgekommen, oder?«
Da konnte ich ihr nur zustimmen. Leo war ein wunderbarer Hausgenosse gewesen. Aber ich hatte das Bedürfnis nach mehr Ungestörtheit gespürt und auch, dass es an der Zeit war zu gehen - auch wenn er zu höflich gewesen war, mich darum zu bitten.
»Wegen der Bewährung?«
Ja, sagte ich. Wegen der Bewährung. Genau deswegen.
Das war eine Fangfrage gewesen, ein mütterlicher Lügendetektortest. Das Ergebnis schlachtete sie jetzt entsprechend aus. »Erklär mir, warum du dir ausgerechnet zu einer Zeit, in der du bei der Arbeit ohnehin schon unter mikroskopischer Beobachtung stehst, auch noch so einen Zirkus antust. Man sollte meinen, dass du da eine Schulter zum Ausweinen und ein paar starke Arme zum Ausmisten besser gebrauchen könntest.« Sie hatte Leo nur einmal gesehen, aber seine Muskulatur war ihr natürlich in bester Erinnerung geblieben. »Leo hat eine neue Freundin.«
»Und?«
»Sie hat in letzter Zeit ständig bei ihm übernachtet.«
Sie dachte ein paar lange Sekunden nach. Das Ergebnis dieses Prozesses subsumierte sie mit den Worten: »Waren sie sehr laut?«
»Laut? Überhaupt nicht. Sie schlich sich nach elf herein, und ich habe nie auch nur einen Mucks gehört.«
Weitere Meditation führte zu der Frage: »Hat sie ihren Anteil an der Miete bezahlt?«
Ich verneinte. Wir waren doch kein Gästehaus. Freunde und Freundinnen hatten freies Logis.
»Ich frage mich, ob das die Wahrheit ist«, dachte sie laut. »Ich wünschte, es gäbe eine elektronische Anzeige für deine Gedanken, so wie für die Schlagzeilen am Times Square.«
Ich hätte mich großzügig zeigen und sie fragen können, was ich ihr denn ihrer Meinung nach vorenthielte. Aber die Aussicht auf eine weitere Beschwörung von Nanas emotionaler Begabung hatte wenig Verlockendes. Ich sah auf die Uhr. Es war erst Viertel nach drei. Sie hatte versprochen, sich den ganzen Tag mir und der Einrichtung meiner Junggesellinnenbude zu widmen, Geschirr zu kaufen, Badematten, Zierkissenbezüge und putzige importierte Körbe. Damit mein neues Heim als Vorzeigeobjekt für Martha Stewarts Wohn-Magazin herhalten könnte. Ich fragte: »Mom? Musst du wirklich noch bleiben? Ich meine, ich habe alles ausgepackt und glaube nicht, dass es noch was zu tun gibt.«
Sie jaulte vor Verzweiflung auf. »Wozu der Aufwand? Wie konnte ich nur daran denken, dass wir uns nach vollbrachtem Tagewerk ein köstliches Abendessen gönnen könnten? Wieso bilde ich mir immer noch ein, dass ich an dich rankomme?«
Mit matter Stimme sagte ich: »Du bist an mich rangekommen. Gar kein Zweifel. Ich glaube, wir sind heute sehr weit gekommen. Ich sehe förmlich, wie ich langsam in Nanas Fußstapfen trete.«
»Ist es wirklich so schlimm, mit mir zusammen zu sein, dass du es keine - wie spät ist es eigentlich? - fünf, sechs Stunden
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