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Der Dreitagemann - Der Dreitagemann - The Pursuit of Alice Thrift

Der Dreitagemann - Der Dreitagemann - The Pursuit of Alice Thrift

Titel: Der Dreitagemann - Der Dreitagemann - The Pursuit of Alice Thrift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elinor Lipman
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Frawley« sogar in meinen unsensiblen Gehörgängen einen Anklang von Intimität erzeugte, musste Meredith ihn erst recht vernommen haben. Sie nahm ihren großen schwarzen Sombrero ab und legte ihn sich auf den Schoß.
    Leo sagte: »Alice? Du bist so still da hinten.«
    »Ich überlasse Sylvie das Reden, wenn wir zusammen sind«, sagte ich.
    »Sie ist ein hervorragendes Publikum«, meinte Sylvie. »Und Sie hätten den Schlagabtausch sehen sollen, den sie sich mit Dr. Hastings geliefert hat.«
    »Nein!«
    »Doch! Erzähl Leo, was du zu ihm gesagt hast.«
    »Wann?«
    »Als ich auf der Suche nach der fahrbaren Trage war. Du weißt schon …« Ihre Lippen formten das Wort Brieftasche .
    »Ich hab seine Brieftasche aufgemacht, und da war ein Bild von seiner Frau -«
    »Sag ihm, was du gesagt hast.«
    »Ich sagte, sie sähe ein bisschen traurig aus.«
    Sylvie schlug auf den Fahrersitz. »Ist das nicht großartig? Ich hätte mir das nicht erlauben können, das hätte nach Sarkasmus und Kriegserklärung gerochen, aber Alice kann solche Sachen mit absolut ernstem Gesicht sagen, und dabei noch mitfühlend klingen.«
    »Ich habe mitgefühlt. Ich meine, ich wollte ihn schon in Verlegenheit bringen, aber ich fand auch wirklich, dass sie ein bisschen traurig aussah.«
    »War es eine Studioaufnahme oder ein Privatfoto?«, erkundigte sich Meredith.
    Leo prustete.
    »Was ist so lustig? Habe ich was Komisches gesagt?«, wollte Meredith wissen.
    »Wahrscheinlich nicht absichtlich«, sagte Leo.
    »Was zu beweisen war«, sagte Meredith. »Alles muss ein Witz sein.«
    »Was sie anhatte, sah aus wie ein Brautkleid«, sagte ich.
    »Das ist aber auch irgendwie rührend, wenn man so überlegt«, meinte Leo.
    »Warum?«, fragte ich.
    »Weil er, wenn sie beide über fünfzig sind, das Foto dann schon zwanzig, fünfundzwanzig Jahre mit sich herumschleppt und es jedes Mal umsteckt, wenn er sich eine neue Brieftasche kauft.«
    »Bei diesen Typen muss man besonders aufpassen«, sagte Sylvie. »Die mit der Ahnengalerie im Büro.«
    »Haben sie Kinder?«, fragte Meredith.
    »Hat nie welche erwähnt.«
    »Weil ich mir nämlich denke, dass man, sobald man ein Kind hat, dessen Gesicht in seiner Brieftasche sehen möchte.«
    »Das halte ich jetzt für eine sehr aufschlussreiche Aussage«, ließ Leo sich vernehmen.
    Sylvie meinte: »Wahrscheinlich hatten sie welche, aber das Jugendamt hat sie ihnen weggenommen.«
    Leo lachte und versetzte dem Lenkrad einen Hieb. Meredith wollte wissen, warum sie dieser Meinung sei.
    »Nur ein Anfall von Galgenhumor«, erklärte Sylvie. »Und eine Anmerkung zu seinem brutalen und absonderlichen Benehmen gegenüber jungen Leuten, die ihm anvertraut sind.«
    »Sie meint mich«, sagte ich.
    »Und was ist mit sexueller Belästigung in meinem Fall?«, ereiferte sich Sylvie. »Denn selbst wenn man die Sache mit dem gegenseitigen Einverständnis zwischen Erwachsenen mit einrechnet, angefangen hat er .«
    »Sie sind neunundzwanzig«, hielt Meredith in aller Freundlichkeit fest. »Er ist Chirurg, nicht Internist. Ich seh da also nicht viel Material für sexuelle Belästigung.«
    »Und Sie haben absolut Recht«, erwiderte Sylvie. »Sie haben sogar so Recht, dass ich beschämt mein Haupt neige und im Geiste ein Empfehlungsschreiben für seine nächste Freundin aufsetze.«
    »Das sollte keine Kritik sein«, sagte Meredith.
    Da mischte ich mich ein. »Er ist älter, er ist verheiratet, er ist ordentlicher Professor, er ist mächtig, es spielt also überhaupt keine Rolle, ob Sylvie meint, dass sie eine ganz gewöhnliche Beziehung in gegenseitigem Einverständnis hatten -«
    »Meredith will sagen, dass immer zwei dazugehören«, klärte mich Sylvie auf. »Einer von uns hätte die Charakterfestigkeit aufbringen müssen zu sagen: ›Nein, danke.‹«
    Leo drückte mit aller Übertriebenheit auf den Knöpfen des stummen Radios herum. »Wo kommt das denn jetzt her? Habe ich den Frauensender eingestellt? Irgendwie kann ich den nicht abstellen.«
    »Leo kann es nicht haben, wenn man über etwas zu ernsthaft diskutiert, insbesondere, wenn es etwas mit Gefühlen zu tun hat«, belehrte uns Meredith.
    »Er ist ja auch ein Mann!«, sagte Sylvie.
    » Ich kann diese Verallgemeinerungen über Männer und Frauen nicht ertragen. Ich tue alles, speziell in meinem Beruf, um nicht in den Kategorien männliches und weibliches Verhalten zu denken.«
    »Als Hebamme?«, wunderte sich Sylvie. »Ich hätte gedacht, das wäre die ultimative Trennlinie, was die

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