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Der dreizehnte Apostel

Der dreizehnte Apostel

Titel: Der dreizehnte Apostel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilton Barnhardt
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diesen akademischen Posten anzunehmen, aber ihm kam der Gedanke, nach Teheran zu gehen, Q anzusehen, mit etwas anderem auszutauschen und sich dann wieder aus dem Staub zu machen …
    (Und wenn sie dich erwischen, wirst du zum letztenmal Fingernägel an den Fingern gehabt haben.)
    Und ich könnte lang genug bleiben, um mit einer dunklen, heiratsfähigen persischen Jungfrau verheiratet zu werden, die kein Wort Englisch spricht …
    (Die Versuchungen O’Hanrahans. Was um Himmels willen, fragen Wir uns, wirst du jetzt tun?)
    YYY
     
    Lucy und Rabbi Hersch gingen durch das unter Suleiman dem Prächtigen erbaute Damaskustor. Außerhalb der alten Stadtmauern hielten arabische Händler Hühner hoch, bereit, ihnen mit einem blutigen Messer den Kopf abzuschneiden; Plätzchen, Gebäckstücke und die allgegenwärtigen Sesambrezeln wurden einem vor die Nase gehalten; Lämmer und meckernde Ziegen waren an einem anderen Stand zusammengebunden. Innerhalb des Tors war der Durchgang s-förmig gekrümmt, vermutlich, um den direkten Angriff eines einfallenden Feindes zu verhindern, dachte Lucy. Noch weiter zurückversetzt in alte Zeiten wurde sie, als sie die jüdischen Geldwechsler sah, die mit ihren Wechselkursen hausieren gingen, Schekel für Dollar, für Franc, für jordanisches Pfund – eine Szene, die erschreckend an einen antisemitischen Propagandafilm aus dem Deutschland der dreißiger Jahre erinnerte. Lucy dachte an Jesus und seinen Zorn darüber, daß dieses Treiben sogar im Tempel weiterging … »Sollen wir auf O’Hanrahan innerhalb des Tores oder draußen warten?« fragte Lucy.
    »Keine Ahnung«, sagte Rabbi Hersch. »Gehen wir hinein.« Als sie das Tor wieder betraten, blickte Lucy nach oben auf die Wachtposten auf den Stadtmauern, zwei Soldatinnen und ein Soldat, alle mit Uzis, durchtrainiert und schlank. Sie rauchten und starrten aufmerksam auf die Pilger, bereit dazu, für jeden Anschlag Rache zu üben. Der Platz um das Damaskustor, der von mehreren arabischen Geschäften gesäumt wird, mündet in drei Fußgängerzonen; rechts erspähte Lucy eine Teestube und daneben einen palästinensischen Platten-und CD-Laden mit Popmusik. Lucy zog ihren Begleiter dorthin. Mühsam erklärte sie dem Verkäufer, daß sie eine Kassette mit Greatest Hits der derzeitigen Popmusik an der West Bank haben wolle; mit vielen Verbeugungen und Lächeln verkaufte man ihr etwas.
    Mittlerweile drängelte sich O’Hanrahan, müde und erhitzt, zu der Teestube durch, die von freundlichen Palästinensern geführt wurde. »Besonders intelligent«, rief er verdrießlich, »sich in einem Laden zu verstecken, wo ich euch nicht finde.«
    Lucy musterte ihn von oben bis unten. »Haben Sie es geschafft?«
    »Was?«
    »Den ganzen Tag ohne einen Tropfen Alkohol.«
    Im selben Moment fragte sie sich, ob es richtig war, das Thema vor dem Rabbi zur Sprache zu bringen.
    »Natürlich«, behauptete O’Hanrahan und führte sie zu den Plastikstühlen und Tischen vor der Teestube. »Mann, wie freue ich mich auf eine Tasse guten, starken Pfefferminztee, mmmhh.«
    Der Rabbi und Lucy setzten sich; keiner der beiden schien überzeugt von O’Hanrahans Abstinenz.
    »Nein, wirklich. Das war mein alkoholfreier Tag, Morey«, beharrte O’Hanrahan, als er stöhnend ebenfalls Platz nahm. »Aber nicht daß ich so was immer brauchte …«
    Lucy rückte ihren Stuhl so, daß sie die Aussicht auf die von Menschen wimmelnden Passagen hatte, in denen sich Düfte und Aromen vermischten, wo dunkler Rauch von Grillrosten aufstieg, während der Lärm des Gefeilsches und gebrüllter Ratschläge den Boden vibrieren ließ. Ihr fiel ein besonderes Gefährt auf, das speziell für die Altstadt kreiert worden war – und die Jungen, die damit »fuhren«: ein Karren, manchmal zwei-, manchmal vierrädrig, den die Jungen kräftig anschoben; dann sprangen sie hinten auf, um in halsbrecherischem Tempo die abwärts führenden Gassen und a usgetretenen Treppen hinunterzu sausen. Ihr gellendes Geschrei warnte die Passanten, aus dem Weg zu gehen. Um zu bremsen, sprangen sie auf einen alten Autoreifen, der hinter dem Karren hergeschleift wurde, und ihr Körpergewicht brachte das Gefährt quietschend zum Stehen. Der Rabbi, der dieses Schauspiel ebenfalls beobachtete, erzählte, daß diese Jungen in jahrelanger Übung auf diesen Karren, dem einzigen Transportmittel in Alt Jerusalem, ihre Kunst meisterhaft beherrschen lernten – sie könnten auf einem Centstück anhalten und wenden. Lucy sah einem jungen

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