Der dreizehnte Apostel
und Lila Mae Bullins, im Alter von sechzehn Jahren verheiratet, ihre ersten Jahre verbracht hatten. Farley erzählte weitschweifig, so daß Lucy ihren eigenen Gedanken nachhängen konnte. Nach dem langen Flug, einem Tag, an dem O’Hanrahan aggressiv gewesen war, und nach einer Reihe von Telefonaten, die Klarheit darüber brachten, daß Rabbi Hersch heil wieder in Israel gelandet war, hatte Lucy Zeit, sich bewusst zu machen : Ich bin zurück in den Vereinigten Staaten.
Wirklich, dachte Lucy, nach Europa und Afrika wirkt Louisiana gar nicht so besonders amerikanisch. Am Tag zuvor war ein Diakon der TPL an den Internationalen Flughafen von New Orleans gekommen und hatte den Kombi der Familie Bullins gebracht. Farley hatte Lucys Gepäck im Kofferraum verstaut und angeboten, sie den »langen Heimweg« durch New Orleans zu fahren. Es war schon spät am Tag, die Schatten wirkten durch die Luftfeuchtigkeit länger, aber der gelbe Himmel war immer noch hell genug. Amerikaner, die so schwarz waren wie die Afrikaner von Khartum, lungerten regungslos auf den hell gestrichenen Holzveranden ihrer Hütten herum und beobachteten Kinder, die ausgelassen mit einem Gartenschlauch herumspritzten. Farley sprach von Betrug am Wohlfahrtsstaat – es war die amerikanische Stadt mit dem höchsten Prozentsatz an Sozialhilfe – und überhandnehmender Kriminalität, während er die breiten Alleen immergrüner Eichen, deren Äste voller Moos hingen, entlangfuhr. Eine Parade prächtiger Häuser, bewachsen mit Efeu und Wein, Bougainvilleas im Garten … Tatsächlich kam Lucy der Gedanke, nach der Gründung von New Orleans habe man alles, was später hinzugekommen war, verfallen lassen. Sie betrachtete die berühmten spanischen Bal kongitter, die französischen Mansardendächer und Straßennamen, regist rierte die typisch südstaatleri schen Gesten, die die koloniale Kultiviertheit überdeckten … New Orleans hatte etwas, das von den Sünden der Konföderierten flüsterte und nicht zu dem Amerika gehörte, das Lucy kannte.
Aber dennoch waren hier auch eine Filiale der Circle-K-Ladenkette, die rund um die Uhr geöffnet hatte, und eine Exxon-Tankstelle; und da man nun amerikanische Truppen an den Persischen Golf geschickt hatte, flatterten a merikanische Flaggen auf Häuser dächern. Lucy fühlte sich seltsam beruhigt, als sie das Interstate 10-Schild sah – es schien sie mit den High-way-Schildern zu Hause zu verbinden.
Farley hatte de n Kombi – mit geschlossenen Fen stern, wegen der Aircondition – durch das französische Viertel gesteuert. Immer wieder hatte er halten müssen, wenn unachtsame Touristen auf die Straße liefen. Lucy hatte sich schier den Hals ausgerenkt, um diese innerhalb Amerikas Grenzen fremde Stadt zu sehen, während Farley sie auf die St. Louis Cathedral am Jackson Square hinwies, vor der es von sonnengebräunten Touristen wimmelte; weiße Frauen in knappen Frotteeshorts, rotgesichtige, schwitzende Rentner, europäische Rucksacktouristen, die offenbar nichts von der drückenden, feuchten Hitze gewusst hatten, als sie ihre Ferienodyssee durch Amerika planten …
»Hier unten in der katholischen Kirche gibt es alle Arten von schwarzem Hokuspokus«, bedauerte Far ley kopfschüttelnd.
»Das gesamte Christentum ist eine Zusammenballung des Hokuspokus anderer Religionen, Farley.«
(O’Hanrahan könnte dir vom heiligen Tammana erzählen, der in der Pfarrei St. Tammana verehrt wird, die aber in Wirklichkeit nach dem in Schmier geldaffären verwickelten Tammany Club in New York benannt ist. Die Gebrüder Bienville, die New Orleans gründeten, benannten zwei Straßen nach sich selbst und fügten dem Namen ein »St.« hinzu, ebenso wie ein Stadtplaner, der der Stadt die Straße St. Adrien gab. Aber kein örtlicher Heiliger wird so geliebt wie St. Expeditus. Der Name ist eine Phantasieablei tung von dem Postbegriff »expedite«, der auf Kisten mit religiösen Statuen stand, die aus Italien eingeführt wurden. Immer wenn man eine Statue nicht identifizieren konnte, wurde entschieden, das sei St. Expeditus. In New Orleans gibt es sogar protestantische Kirchen, die nach St. Expeditus benannt sind.)
Farley war durch die Bourbon Street gefahren, so daß Lucy erkennen konnte, warum O’Hanrahan sich nach den zehn Häuserblocks mit lauten Bars, kreolischen Restaurants und konkurrierenden Clubs sehnte, aus denen Jazzmusik drang. Farley hatte erzählt, daß er und die »Junge Amerikaner für Jesus«-Gruppe der TPL, eine Grup pe von
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