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Der dritte Mond

Der dritte Mond

Titel: Der dritte Mond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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und drehte sich wütend auf dem Absatz herum. Ihr Zorn war ungerecht, das wußte sie selbst; zumindest entlud er sich auf das falsche Opfer. Der junge Leutnant tat nur seine Pflicht. Und vermutlich tat auch Hartmann nur, was er für das Richtige hielt. Er mochte Gurk ebenso wie sie, und er hatte ganz bestimmt nicht vergessen, daß der Zwerg seine Familie gerettet hatte. Weshalb also bestand er weiterhin darauf, Gurk wie einen Gefangenen zu behandeln? Sie würde es herausfinden, und zwar jetzt.

Kapitel 5
    Charitys Zorn verrauchte zwar nicht, als Melissa und sie ins Freie traten, doch er rückte ein wenig in den Hintergrund. Zum erstenmal seit ihrer Rückkehr auf die Erde sah Charity die Basis im hellen Tageslicht – und es war ein Anblick, der sie zutiefst erschreckte. Hartmann und Skudder hatten einen kurzen Überblick über die Schäden gegeben, die die beiden Angriffe der Fremden verursacht hatten, aber es war eine Sache, eine Aufzählung trockener Fakten zu hören, und eine ganz andere, die Verheerung zu sehen, die die Rochenschiffe angerichtet hatten. Die große Landefläche im Zentrum des halbkreisförmig angelegten Areals war mit Kratern und Rissen übersät, die sich zum Teil bereits mit ölig schimmerndem Wasser gefüllt hatten. Obwohl der Überfall mittlerweile gut zwei Tage zurücklag, war die Luft noch immer von einem durchdringenden Brandgeruch erfüllt. Kaum eines der Gebäude war ohne Beschädigungen geblieben, und Charity sah auch zwei oder drei Bauwerke, die vollkommen zerstört waren. Vor allem das Verwaltungsgebäude war so schwer getroffen worden, daß es praktisch reif für den Abriß war. Vermutlich hatte der hoch aufragende Turm den Piloten der Rochenschiffe nicht nur als Orientierungspunkt, sondern zugleich auch als Zielscheibe gedient. Schon bei dem bloßen Gedanken, daß sie noch in der vergangenen Nacht auf dem Dach dieses ausgeglühten Stahlbetonskeletts gestanden hatte, lief Charity ein eisiger Schauer über den Rücken. Melissa stockte plötzlich im Schritt, und als Charity sie anschaute, fiel ihr auf, daß das Mädchen sichtlich blaß geworden war. Charitys Blick folgte dem Melissas. Auf der anderen Seite des Landefeldes waren zwei riesige Kettenfahrzeuge damit beschäftigt, das Wrack eines Rochenschiffes wegzuschleppen. »Keine Angst«, sagte Charity. »Sie können dir nichts mehr tun.« Melissa nickte. Die Bewegung war fast nur angedeutet und kaum zu erkennen. Dann hob sie den Arm und griff nach Charitys Hand; vermutlich ohne daß es ihr bewußt war. »Du hast solche Schiffe schon einmal gesehen, nicht wahr?« fragte Charity zögernd. »Ich meine… außer hier. Und oben in der Himmelsstadt.« »Ja«, antwortete Melissa. »Aber ich darf nicht darüber reden.« Charity lächelte, als wäre es ganz selbstverständlich. »Gurk hat es dir verboten, nicht wahr? Aber das ist schon in Ordnung. Wenn du nicht darüber reden willst, mußt du es auch nicht. Und du brauchst wirklich keine Angst zu haben. Sie sind zwar gefährlich, aber wir haben sie besiegt. Und wir werden sie noch einmal besiegen, wenn sie wiederkommen.« »So viele«, flüsterte Melissa. »Es sind… so schrecklich viele.« Sie gab sich einen Ruck, sah ihre eigene Hand, die fast zwischen Charitys Fingern verschwunden war, blickte Charity beinahe erstaunt an und zog den Arm dann rasch zurück. Was meint sie mit so schrecklich viele? dachte Charity. Melissa und Net waren in Skytown zurückgeblieben, und dort war nicht ein einziges Rochenschiff gewesen! Sie gingen weiter. Hangar IV lag auf der gegenüberliegenden Seite des Landefeldes, so daß sie gute zehn Minuten Fußmarsch vor sich hatten. Charity ließ einige Minuten verstreichen; dann fragte sie in ganz bewußt beiläufigem Tonfall: »Dieser Ort, an dem ihr wart, als Gurk euch gerettet hat… war der Himmel dort rot?« »Rot?« Melissa schüttelte heftig den Kopf. »Nein. Aber die Berge. Und es war kalt. Die Sonne war zu klein.« Viele. Es sind so schrecklich viele. Charity stellte keine weitere Frage mehr. Wahrscheinlich wäre es kein Problem gewesen, Melissa auszuhorchen – letztendlich war sie nur ein zehnjähriges Kind, das den Tricks und Schlichen eines Erwachsenen nicht viel entgegenzusetzen hatte. Aber aus irgendeinem Grund, der ihr selbst nicht ganz klar war, schrak Charity davor zurück. Es wäre ein Vertrauensbruch gewesen, nicht nur Melissa, sondern auch Gurk gegenüber. Trotz allem war sie sicher, daß der Zwerg seine Gründe hatte,

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