Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der dritte Schimpanse

Der dritte Schimpanse

Titel: Der dritte Schimpanse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
Vom Netzwerk:
Profis zeigen, die einen in einem engen Flußbett gestell­ten, zu Tode erschrockenen Mammut aus sicherer Ent­fernung mit Speeren erledigen.
    Bedenken Sie auch, daß die Großsäugetiere der Neuen Welt wahrscheinlich vor Ankunft der Clovis-Jäger noch nie Menschen gesehen hatten, sofern es stimmt, daß diese die ersten Ankömmlinge in der Neuen Welt wa­ren. Von der Antarktis und den Galapagos-Inseln ken­nen wir das zahme Verhalten von Tieren, deren Evolu­tion in Abwesenheit des Menschen erfolgte. Als ich in Neuguinea die entlegene, von Menschen unbesiedelte Foja-Bergregion besuchte, stellte ich fest, daß die großen Baumkänguruhs dort so zahm waren, daß ich mich ih­nen bis auf ein paar Schritte nähern konnte. Vermutlich waren die Großsäugetiere der Neuen Welt genauso arg­los und wurden getötet, bevor sie Zeit hatten, die Furcht vor Menschen zu erlernen.
    Konnten die Clovis-Jäger die Mammute schnell genug ge­tötet haben, um sie ganz auszurotten ? Nehmen wir wie­der an, daß eine Quadratmeile im Durchschnitt 2,5 Jä-ger und Sammler und (wie im Fall heutiger Elefanten in Afrika) einen Mammut ernährt und daß ein Viertel der Clovis-Bevölkerung aus erwachsenen Männern bestand, von denen jeder alle zwei Monate einen Mammut töte­te. Das ergibt sechs getötete Mammute auf vier Quadrat­meilen im Jahr, so daß den Mammuten weniger als ein Jahr Zeit blieb, um ihren Bestand durch Fortpflanzung dennoch konstant zu halten. Von Elefanten wissen wir je­doch, daß sie sich nur langsam fortpflanzen und mehr als 20 Jahre für die Reproduktion ihres Bestandes benötigen, und nur wenige Arten von Großsäugetieren bringen dies schneller als in drei Jahren zuwege. Es ist durchaus plau­sibel, daß die Clovis-Jäger nur ein Jahr brauchten, um die Großsäugetiere an einem Ort auszurotten, und dann zum nächsten weiterzogen. Beim Versuch, dafür Hinweise zu finden, suchen Archäologen nach Stecknadeln in einem fossilen Heuhaufen : nach den Knochen der innerhalb ei­ner kurzen Zeitspanne erlegten Mammute inmitten der Knochen all jener, die im Laufe Hunderttausender von Jahren auf natürliche Weise starben. Da ist es kein Wun­der, daß so wenige Mammutkadaver mit Clovis-Speer­spitzen zwischen den Rippen gefunden wurden.
    Aber was konnte einen Clovis-Jäger überhaupt dazu veranlassen, alle zwei Monate einen Mammut zu töten, wenn ein 5000 Pfund schweres Exemplar eine Ausbeu­te von 2500 Pfund Fleisch ergab, von dem sich der Jäger, seine Frau und zwei Kinder bei einem Verbrauch von zehn Pfund am Tage zwei Monate ernähren konnten ? Zehn Pfund mag nach enormer Gefräßigkeit klingen, doch in Wirklichkeit kommt diese Menge der täglichen Fleischration pro Person im Gebiet der sich nach We­sten vorschiebenden Grenze der USA im letzten Jahr­hundert recht nahe. Und dabei nehme ich noch an, daß alle 2500 Pfund Mammutfleisch tatsächlich verspeist wurden. Doch um es zwei Monate aufzubewahren, hätte man das Fleisch trocknen müssen. Würden Sie sich die Mühe machen, eine Tonne Fleisch zu trocknen, wenn Sie nur hingehen und einen frischen Mammut zu töten brauchten ? Vance Haynes stellte dazu fest, daß die von den Clovis-Jägern getöteten Mammute nur zum Teil ge­schlachtet waren, was auf eine sehr verschwenderische und wählerische Verwendung von Fleisch durch jene in­mitten eines Wildüberflusses lebenden Menschen schlie-ßen läßt. Wahrscheinlich diente die Jagd gar nicht nur der Erbeutung von Fleisch, sondern auch der Gewin­nung von Elfenbein und Häuten oder der Demonstra­tion von Männlichkeit. Ähnlich wurden in der Neuzeit Robben und Wale wegen ihres Öls und ihrer Felle gejagt, während man das Fleisch verrotten ließ. In neuguinei­schen Fischerdörfern sah ich oft die Kadaver von großen Haien, die nur wegen ihrer Flossen getötet worden wa­ren, um daraus die berühmte Suppe herzustellen.
    Nur zu vertraut sind uns die Blitzkriege, durch die Eu­ropäer in der Neuzeit Büffel, Wale, Robben und viele an­dere Großtierarten beinahe ausrotteten. Neuere archäo­logische Entdeckungen auf Inseln haben gezeigt, daß solche Blitzkriege auch in früheren Zeiten jedesmal das Ergebnis waren, wenn Jägervölker in eine Gegend vor­stießen, deren Tierwelt nicht an Menschen gewöhnt war. Da also das Zusammentreffen von Menschen und arglo­sen Großtieren stets mit einer Ausrottungswelle endete, wie könnte es da anders gewesen sein, als Clovis-Jäger in die Neue Welt eindrangen?
    All dies hatten die ersten Jäger,

Weitere Kostenlose Bücher