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Der dritte Zustand

Der dritte Zustand

Titel: Der dritte Zustand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amos Oz
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Tölpel und Unglücksrabe, sind alle beide unsterblich. Hand in Hand ziehen sie von Land zu Land, von Zeitalter zu Zeitalter, von Geschichte zu Geschichte. Wie Kain und Abel. Wie Jakob und Esau. Wie Raskolnikow und Swidrigailow. Oder wie Rabin und Peres. Und wer weiß, vielleicht sogar wie Gott und Nietzsche. Wenn wir schon bei Eisenbahnaffären angelangt sind, werd’ ich dir noch eine wahre Begebenheit erzählen. Einmal ist der Eisenbahndirektor unseres Landes zu irgendeinem Weltkongreß von Bahndirektoren gefahren. So einer Konferenz. Da öffnete der Ewige dem Esel den Mund, und unser Hampelmann steht da und redet und redet ohne Pause. Geht nicht vom Podium runter. Bis es dem Bahndirektor von Amerika zu dumm wird und er die Hand hebt und den unsrigen bei aller Achtung fragt, entschuldigen Sie, Herr Cohen 7 , wie lang ist euer Schienennetz dort insgesamt in Erez Israel, daß Sie soviel reden? Nun, da ließ sich unser Delegierter gar nicht verwirren, sondern erwiderte mit Hilfe dessen, der dem Hahne Erkenntnis gegeben: Die Länge habe ich nicht exakt im Kopf, Herr Smith, aber die Breite – genau wie bei euch. Übrigens, diese Geschichte habeich einmal von einem dusseligen Juden gehört, der Rußland statt Amerika genommen und damit die ganze Pointe vermasselt hat, weil bei denen, in Rußland, die Spurbreite tatsächlich anders ist als bei uns, anders als in der ganzen Welt: einfach so. Egal was. Aus purem Trotz. Damit Napoleon, sollte er wieder bei ihnen einfallen, seine Waggons auf keinen Fall bis Moskau durchrollen lassen kann. Wo waren wir stehengeblieben? Bei den Flitterwöchlern. In Wahrheit besteht keinerlei Hinderungsgrund, daß du dich aufmachst und eine bildhübsche Dame zur Frau nimmst. Wenn du möchtest, bin ich dir auch gern bei der Suche nach einer solchen und so weiter behilflich. Bloß beeil dich bitte, mein Lieber, du bist ja nun kein Jüngling von zwanzig mehr, und auch ich, na, morgen oder übermorgen weht der Wind darüber und fertig, Baruch Nürnberg ist tot – gezeichnet: Gott. Das Amüsante an der Geschichte von dem Pärchen auf Hochzeitsreise ist nicht der ärmste Bräutigam, der den Schaffner bittet, ihm zu zeigen, womit man anzündet, das heißt, wie man die Braut benutzt. Nein und nochmals nein. Amüsant ist gerade die Assoziation zum Kartenlochen. Obwohl, wenn man’s bedenkt, sag du mir bitte: Was ist daran lustig? Was gibt’s hier zu lachen? Schämst du dich nicht zu grinsen? Eigentlich ist es traurig, sogar zu Herzen gehend. Die meisten Witze auf der Welt bauen auf das eitle Vergnügen, das wir am Unglück anderer empfinden. Und warum ist das so, Fimotschka, würdest du so gut sein, mir das einmal zu erklären, wo du doch Historiker, Dichter, Denker bist, warum das Mißgeschick anderer uns Genuß bereitet? Sonderbare Lust? Uns grinsen läßt? Der Mensch ist ein Paradox, mein Lieber. Ein höchst eigenartiges Geschöpf. Exotisch. Lacht, wenn man weinen müßte, weint, wenn Lachen angebracht wäre, lebt ohne Verstand und stirbt ohne Lust. Des Menschen Tage sind wie Gras. Na, und Jael hast du in der letzten Zeit gesehen? Nein? Und euern kleinen Jungen? Erinner mich daran, dir später eine wunderbare Geschichte des Rabbi von Lyzhansk, Rabbi Elimelech, zu erzählen, eine Fabel von Scheidung und Sehnsucht. Allegorisch spielt er damit auf das Volk Israel und die göttliche Gegenwart an, während ich da meine eigene Auslegung habe. Aber vorher erzähl mir bitte, wie dein Leben und Tun aussieht. So geht es ja nicht, Efraim: Ich rede und rede wie – hm – wie unser Eisenbahndirektor, und du schweigst. Wie in der Geschichte vom Kantor auf einer einsamen Insel. Ich erzähl’ sie dir nachher. Nur laß es mich nicht vergessen. Es geht dabei um einen Kantor, der über die Hohen Feiertage, Gott behüte, auf einer einsamen Insel steckengebliebenwar – da, wieder rede ich, und du bist stumm. Sag doch was, erzähl mir von Jael und dem melancholischen Kind. Nur erinner mich hinterher dran, auf diesen Kantor zurückzukommen: In gewisser Hinsicht gleicht doch jeder von uns einem Kantor auf einsamer Insel, und wiederum in bestimmter Hinsicht sind alle Tage hohe, furchtbare Tage.«
    Fima hörte bei jedem Atemzug ein leichtes, leises Pfeifen – fast wie das Maunzen einer Katze – aus der Brust seines Vaters. Als habe der Alte aus Ulk ein heiseres Pfeifchen in der Gurgel verborgen.
    »Trink, Baruch. Dein Tee wird kalt.«
    »Hab’ ich dich denn um Tee gebeten, Efraim?« fragte der alte Mann. »Ich habe

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