Der Dritte Zwilling.
Aktenschrank. Im untersten Fach - fast, als sollten sie verborgen gehalten werden - standen eine Flasche Springhank Scotch und einige Kristallgläser, vielleicht eine heimliche Schwäche Berringtons.
Kaum hatte er den Schrank wieder geschlossen, ging die Tür auf, und Berrington betrat das Arbeitszimmer, gefolgt von zwei anderen Männern. Steve erkannte Senator Proust; sein mächtiger Kahlkopf und die große Nase waren ihm aus den Fernsehnachrichten wohl-vertraut. Der stille, schwarzhaarige Mann war vermutlich »Onkel« Preston Barck, der Vorstandsvorsitzende von Genetico.
Er dachte daran, daß er sauer war. »Ihr hättet mich nicht so verdammt zu hetzen brauchen«, sagte er.
Berrington schlug einen versöhnlichen Ton an. »Wir waren gerade mit dem Abendessen fertig«, sagte er. »Möchtest du noch etwas? Marianne kann dir noch ein Tablett bringen.«
Steves Magen war vor Aufregung völlig verkrampft, doch da er an nahm, daß Harvey mit Sicherheit hungrig nach Hause gekommen wäre, und da er so natürlich wie möglich erscheinen wollte, tat er, als wäre sein Zorn im Abklingen und sagte: »Ja, natürlich ess’ ich noch was.«
»Marianne!« rief Berrington, und ein hübsches, nervös wirken des schwarzes
Mädchen erschien in der Tür. »Bring Harvey noch ein Tablett, ja?«
»Sofort, Monsieur«, sagte das Mädchen leise. Steve sah ihr nach. Ihr Weg in die Küche führte sie durch das Wohnzimmer. Wahrscheinlich befand sich auch das Eßzimmer in dieser Richtung - es sei denn, sie nahmen ihre Mahlzeiten in der Küche ein.
Proust beugte sich vor und fragte: »Nun, mein Junge, was hast du in Erfahrung bringen können?«
Steve hatte sich einen fiktiven Plan für Jeannie ausgedacht. »Ich glaube, ihr könnt euch beruhigen, jedenfalls fürs erste«, sagte er. »Jeannie Ferrami beabsichtigt, wegen gesetzeswidriger Entlassung juristisch gegen die Jones-Falls-Universität vorzugehen. Sie spielt mit dem Gedanken, während des Verfahrens auf die Existenz der Klone hinzu weisen. Bis dahin hat sie jedoch nicht vor, mit ihrem Wissen an die Öffentlichkeit zu gehen. Am Mittwoch hat sie einen Termin bei einem Rechtsanwalt.«
Die drei älteren Herren waren sichtlich erleichtet. Proust sagte: »Ein Verfahren wegen gesetzeswidriger Entlassung dauert mindestens ein Jahr. Da bleibt uns noch viel Zeit für das, was wir zu tun haben.« Ausgetrickst, ihr alten Schweinehunde …
»Was ist mit dem Fall Lisa Hoxton?« wollte Berrington wissen.
»Jeannie weiß, wer ich bin, und hält mich für den Täter, hat aber keine stichhaltigen Beweise. Wenn sie mich anzeigt - womit zu rech nen ist - wird es wahrscheinlich als Racheakt einer ehemaligen Ange stellten ausgelegt werden.«
Berrington nickte. »Gut. Aber du wirst dennoch einen Anwalt benötigen. Weißt du, was? Du übernachtest heute hier - es ist ohnehin zu spät, um noch nach Philadelphia zu fahren.«
Ich will aber nicht hier übernachten! »Also, ich weiß nicht …«
»Morgen begleitest du mich dann zu der Pressekonferenz, und gleich danach reden wir mit Henry Quinn.«
Das ist doch viel zu riskant!
Keine Panik! Denk nach!
Wenn ich hier bleibe, erfahre ich bis zum letzten I-Tüpfelchen, was diese Ganoven im Schilde führen. Das ist schon ein gewisses Risiko wert. Solange ich schlafe, kann eigentlich nicht viel schiefgehen. Irgendwann kann ich sicher mal heimlich Jeannie anrufen und sie auf dem laufenden halten. Seine Entscheidung fiel spontan. »Okay«, sagte er.
»Und wir hocken hier rum und machen uns weiß-Gott-was für Sorgen um nichts und wieder nichts«, sagte Proust.
Barck war nicht so schnell bereit, die guten Nachrichten widerspruchslos zu akzeptieren. Argwöhnisch fragte er: »Das Mädchen ist nicht einmal auf die Idee gekommen, die Übernahme von Genetico zu sabotieren?«
»Sie ist intelligent, aber von geschäftlichen Dingen versteht sie anscheinend nicht allzuviel«, antwortete Steve.
Proust zwinkerte ihm zu und sagte: »Wie ist sie denn im Bett, he?«
»Ganz schön munter«, erwiderte Steve grinsend. Proust brüllte vor Lachen.
Marianne kam mit einem Tablett ins Zimmer. Es gab Hühnerfleisch, einen Salat mit Zwiebeln, Brot und eine Flasche Budweiser. Steve lächelte sie an. »Danke! Das sieht ja sehr gut aus!«
Sie sah ihn verdutzt an, woraus Steve schloß, daß Harvey wahrscheinlich nicht sehr oft »danke« sagte. Ein Seitenblick auf Preston Barck verriet ihm, daß der Genetico-Präsident die Stirn runzelte. Paß bloß auf!
Du hast sie, wo du sie haben
Weitere Kostenlose Bücher