Der Dritte Zwilling.
abend mit der DNS-Bestimmung an.«
Lisa verzog das Gesicht. »Oh, Jeannie, wir sind schon den ganzen Tag auf den Beinen. Ich muß noch fürs Abendessen einkaufen …«
»Ich weiß. Und ich muß noch einen Besuch im Gefängnis machen. Wir treffen uns nachher im Labor. Sagen wir, gegen neun?«
»Okay.« Lisa lächelte. »Ich bin ja selbst neugierig, was die Unter suchung ergibt.«
»Wenn wir heute abend damit anfangen, könnten wir übermorgen das Ergebnis haben.«
Lisa blickte skeptisch drein. »Wenn wir ein paar Abkürzungen neh men, ja.«
»Braves Mädchen.« Jeannie stieg aus, und Lisa fuhr davon.
Am liebsten hätte Jeannie sich sofort in den eigenen Wagen geschwungen und wäre zur Polizeizentrale gefahren, doch sie beschloß, zuerst nach ihrem Vater zu sehen und ging ins Haus.
Er saß vor dem Fernseher und sah sich Wheel of Fortune an. »Hi, Jeannie«, sagte er. »Du kommst spät nach Hause.«
»Ich mußte arbeiten und bin heute immer noch nicht fertig. Wie war der Tag?«
»Ein bißchen langweilig, so ganz allein hier.«
Er tat ihr leid. Er schien keine Freunde zu haben. Doch er sah viel besser aus als gestern abend. Er war sauber, rasiert und ausgeruht. Zum Mittagessen hatte er sich eine Pizza aus dem Tiefkühlfach gebacken; das schmutzige Geschirr stand auf der Küchenanrichte. Jeannie wollte ihm schon sagen, daß ihre Spülhilfe heute ihren freien Tag habe und er gefälligst selbst abwaschen solle, doch sie verbiß sich die Bemerkung.
Sie setzte den Aktenkoffer ab und machte sich daran, Ordnung zu schaffen. Ihr Vater schaltete nicht einmal den Fernseher aus. »Ich war in Richmond, Virginia«, sagte sie. »Wie schön, meine Kleine. Was gibt’s zum Abendessen?« Nein, sagte sich Jeannie, so geht es nicht weiter. Er kann mich nicht wie Mom behandeln.
»Wie war’s, wenn du dir selbst etwas kochst?«
Zum erstenmal horchte er auf. Er nahm den Blick von dem rotie renden Glücksrad und schaute Jeannie an. »Ich kann nicht kochen!«
»Ich auch nicht, Daddy.«
Er machte ein düsteres Gesicht. Plötzlich lächelte er. »Dann gehen wir aus essen!«
Seine Miene war auf schmerzliche Weise vertraut. Mit einem Mal fühlte Jeannie sich um zwanzig Jahre in der Zeit zurückversetzt. Sie und Patty trugen die gleichen ausgestellten Jeans. Sie sah Daddy vor sich, mit seinem dunklen Haar und den Koteletten. »Kommt, wir gehen auf die Kirmes! Wie war’s mit Zuckerwatte? Ab ins Auto mit euch!« Er war damals der netteste Mann auf der Welt gewesen.
Dann machten Jeannies Erinnerungen einen Sprung um zehn Jahre nach vorn. Sie trug schwarze Jeans und Doc-Marten-Stiefel, und Daddys Haar war kürzer und wurde grau, und er sagte: »Ich fahr’ dich mit deinem Zeug nach Boston rauf. Ich besorg’ uns einen Wohnwagen. Dann können wir ein bißchen Zeit miteinander verbringen. Wir essen an der Straße, im Schnellimbiß. Mädchen, das wird Laune machen! Sei um zehn Uhr fertig!« Jeannie hatte den ganzen Tag gewartet, doch Dad war niemals erschienen. Am Tag darauf war sie mit einem Greyhound-Bus gefahren.
Jetzt, als Jeannie wieder die alte, fröhliche Unternehmungslust in seinen Augen funkeln sah, wünschte sie sich von ganzem Herzen, noch einmal neun Jahre alt zu sein und Daddy jedes Wort glauben zu können. Doch sie war erwachsen; deshalb fragte sie: »Wieviel Geld hast du denn?«
Er blickte sie mürrisch an. »Gar keins. Hab’ ich dir doch gesagt.«
»Ich auch nicht.
Also können wir nicht essen gehen.« Jeannie öffnete den Kühlschrank. Es waren ein Kopfsalat darin, ein paar Mais kolben, ein Paket Lammkoteletts, eine Tomate und eine halbleere Schachtel Uncle Ben’s Reis. Sie nahm alles heraus und legte es auf die Anrichte. »Ich mache dir einen Vorschlag«, sagte sie. »Als Vorspeise gibt’s frischen Mais in ausgelassener Butter, danach Lammkotelett mit einem Stückchen Zitrone, dazu Reis und Salat und zum Nachtisch Eiscreme.«
»He, das wäre prima!«
»Du fängst schon mal an, wenn ich fort bin.«
Er stand auf und betrachtete, was Jeannie aus dem Kühlschrank geholt hatte.
Jeannie nahm ihren Aktenkoffer. »Kurz nach zehn bin ich wieder da.«
»Ich weiß nicht, wie ich das Zeug kochen muß!« Er wedelte mit einem Maiskolben.
Jeannie nahm das Readers-Digest-Hauskochbuch vom Regal über dem Kühlschrank und reichte es ihm. »Schlag nach«, sagte sie, gab ihm einen Kuß auf die Wange und machte sich auf den Weg.
Hoffentlich warst du nicht zu grausam, dachte sie, als sie in Rich tung Innenstadt fuhr. Daddy
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