Der Dschungel
gierige Geier hacken und schlingen sie! Alle Energien der Menschheit gehören auf ewig und unwiderruflich ihnen – die Menschheit mag tun, was sie will, und sich anstrengen, soviel sie will, sie lebt für sie, und sie stirbt für sie! Und nicht nur die Arbeitskraft der Gesellschaft gehört ihnen, sondern sie haben auch die Regierungen gekauft, und überall benutzen sie ihre zusammengestohlene Macht dazu, ihre Privilegien noch fester zu verankern und die Kanäle, durch die ihnen der Strom der Profite zufließt, zu verbreitern und zu vertiefen! Und ihr, Arbeiter, ihr seid von Jugend an dazu erzogen, ihr schleppt euch weiter ab wie die Lastesel und denkt nur ans Heute und an dessen Plagen. Ist aber einer unter euch, der glauben kann, dieses System werde ewig weiterbestehen? Ist heute abend auch nur einer hier im Saal schon so abgestumpft und entwürdigt, daß er mir entgegenzutreten und zu behaupten wagt, er glaube, daß dies ewig so weitergehen kann, daß das Produkt der Arbeit der Gesellschaft, das Existenzmittel der Menschheit, immerdar und allenthalben Nichtstuern und Schmarotzern gehören wird, um zur Befriedigung von Eitelkeit und Gelüsten vertan zu werden, für einen beliebigen Zweck und nach dem Willen eines beliebigen einzelnen – daß die Arbeit der Menschheit nicht irgendwann, irgendwo einmal der Menschheit gehören wird, um für die Zwecke der Menschheit und nach dem Willen der Menschheit genutzt zu werden? Wenn das aber je erreicht werden soll – wie läßt sich das bewirken, welche Macht kann das zuwege bringen? Wird das die Aufgabe eurer Herren sein? Was meint ihr: Werden sie euch den Freibrief eurer Rechte ausstellen? Werden sie euch das Schwert zu eurer Befreiung schmieden, euch das Heer aufstellen und es in die Schlacht führen? Werden sie ihren Reichtum dafür einsetzen – werden sie Hochschulen und Kirchen bauen, um euch Wissen zu vermitteln, werden sie Zeitungen drucken, um euren Fortschritt zu verkünden, werden sie politische Parteien gründen, um den Kampf zu leiten und weiterzuführen? Seht ihr denn nicht, daß das eure eigene Aufgabe ist – daß ihr selbst sie erträumen, sie lösen und durchführen müßt? Daß sie, wenn sie jemals bewältigt werden soll, gegen jedes Hindernis durchgesetzt werden muß, das die Reichen und Herrschenden in den Weg legen können – gegen Hohn und Verleumdung, gegen Haß und Verfolgung, gegen Knüppel und Kerker? Daß ihr sie mit nackter Brust gegen den wütenden Widerstand der Tyrannei durchkämpfen müßt? Mit der harten, bitteren Lehre des blinden, gnadenlosen Leids! Mit dem mühsamen Vorwärtstasten des ungeschulten Geistes, mit dem unbeholfenen Stammeln der ungeübten Stimme! Mit dem traurigen, einsamen Hunger der Seele, mit Suchen, Sehnen und Streben, mit Herzeleid und Verzweiflung, mit Qual und blutigem Schweiß! Mit Geld, das ihr euch abhungert, mit Wissen, das ihr euch vom Schlaf abstehlt, mit Gedanken, die ihr im Schatten des Galgens verbreitet! Es wird eine Bewegung sein, die in fernster Vergangenheit ihren Anfang genommen hat, ein dunkles, ruhmloses Unternehmen, leicht zu verhöhnen und leicht zu verachten, von wenig ansprechendem Aussehen, mit dem Makel von Rache und Hetze behaftet – aber dich, Arbeiter, den Lohnsklaven, ruft es mit eindringlicher, gebietender Stimme, der du nicht entrinnen kannst, wo immer in der Welt du auch sein magst. Mit der Stimme all deines erlittenen Unrechts und all deiner Sehnsüchte, mit der Stimme deiner Pflicht und deiner Hoffnung – mit der Stimme alles dessen, was dir auf Erden teuer ist! Es ist die Stimme der Armen, die verlangt, daß der Armut ein Ende gemacht werde; die Stimme der Unterdrückten, die den Unterdrückern das Urteil kündet! Die Stimme der aus Leid erwachsenen Kraft, der der Schwäche abgerungenen Entschlossenheit, der in den bodenlosen Abgründen von Qual und Verzweiflung geborenen Fröhlichkeit und Tapferkeit! Die Stimme der verachteten und mit Füßen getretenen Arbeiterschaft, eines mächtigen Riesen, der am Boden liegt – ein Titan, aber geblendet, gebunden und sich der eigenen Kraft nicht bewußt. Und nun überkommt ihn ein Traum von Widerstand; Hoffnung ringt mit Furcht, bis er sich unversehens bewegt und eine Fessel zerspringt – ein Zittern durchläuft ihn bis in die fernsten Spitzen seines gewaltigen Körpers, und blitzartig wird aus dem Traum die Tat! Er fährt auf, er reckt sich, seine Bande zerreißen, seine Lasten fallen ab; er erhebt sich, turmhoch, gigantisch, springt auf die
Weitere Kostenlose Bücher