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Der Dschungel

Der Dschungel

Titel: Der Dschungel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Upton Sinclair
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hatte. Und das, was sie als »Schinkenwurst« vertrieben, waren lediglich in Därme gepreßte Schweinefleischabfälle.
    Erst bei völligem Verdorbensein kam der Schinken in die Abteilung von Teta Elzbieta. Und war er dann von den mit zweitausend Umdrehungen in der Minute laufenden Messern zerhackt und einer halben Tonne anderem Fleisch untergemengt worden, ließ sich von seinem faulen Geruch nichts mehr merken. Nie wurde auch nur im geringsten darauf geachtet, was alles in die Wurstmasse wanderte. Aus Europa kamen alte Würste zurück, die man nicht losgeworden war und die einen weißen Schimmelbelag hatten – sie wurden mit Borax und Glyzerin behandelt und dann noch mal durchgedreht, um schließlich im Inland verkauft zu werden. Fleisch, das auf den Fußboden gefallen war, in den Schmutz und das Sägemehl, auf dem die Arbeiter herumgetrampelt waren und in das sie Milliarden Tuberkulosebazillen gespuckt hatten, wanderte ebenso in die Fülltrichter; desgleichen das Fleisch, das gestapelt in Hallen lagerte, wo von lecken Dächern Wasser drauf tropfte und Tausende von Ratten auf ihm herumhuschten. Um etwas zu erkennen, war es dort zu dunkel, aber wenn man mit der Hand über diese Fleischstapel fuhr, konnte man wahre Mengen von getrocknetem Rattenkot hinunterfegen. Die Ratten waren eine Plage, und man legte vergiftetes Brot aus, woran sie krepierten, und dann kamen Ratten, Brot und Fleisch zusammen in die Trichter. Das ist kein Märchen und auch kein Witz; das Fleisch wurde auf Karren geschaufelt, und der Mann, der das tat, hielt sich nicht damit auf, Ratten auszusortieren, auch wenn er welche sah – wanderten doch noch ganz andere Dinge in die Wurst, gegen die eine vergiftete Ratte ein Leckerbissen war. Es gab keinen Ort, wo sich die Arbeiter vor dem Mittagessen die Hände waschen konnten, und so hatten sie sich angewöhnt, das in dem Wasser zu tun, das in die Wurstmasse kam. Die Endstückchen von Geräuchertem, die Schabsei von Corned Beef und alle möglichen anderen Abfälle wurden in alte Fässer im Keller geschüttet, und dort ließ man sie vorerst stehen. Bei dem von den Fabrikanten praktizierten System strengster Wirtschaftlichkeit lohnten manche Arbeiten nur in großen Zeitabständen; dazu gehörte das Entleeren der Abfallfässer, und so wurde das nur jedes Frühjahr vorgenommen. In den Fässern befanden sich auch Dreck, Rost, alte Nägel und fauliges Wasser – und Karren auf Karren davon wurde nach oben geholt, wanderte zusammen mit dem frischen Fleisch in die Trichter und später auf die Frühstücks- und Abendbrottische. Einiges davon wurde zu »Räucherwurst« verarbeitet – aber da das Räuchern Zeit und somit Geld kostete, mußte die chemische Abteilung ran zum Haltbarmachen mit Borax und zum Braunfärben mit Gelatine. Alle Wurst kam aus demselben Kessel, nur wurde beim Verpacken eine bestimmte Menge mit dem Etikett »ff.« beklebt, und davon kostete das Pfund dann einen Cent mehr.
     
    Das also war Elzbietas neue Umgebung, und so sah die Arbeit aus, zu der sie gezwungen war. So stumpfsinnig das, was sie hier tun mußte, auch war, es ließ ihr keine Zeit zum Denken, keine Kraft für irgend etwas anderes. Elzbieta war ein Teil der Maschine, die sie bediente, und jede Fähigkeit, die nicht für die Maschine gebraucht wurde, war zum Verkümmern verurteilt. Ein Gutes nur hatte diese grausame Schinderei: Elzbieta wurde unempfindlich. Nach und nach versank sie in Apathie – sie wurde schweigsam. Wenn sie sich abends mit Jurgis und Ona traf und sie gemeinsam heimgingen, sprachen sie dabei oft kein einziges Wort. Auch Ona wurde immer stiller – Ona, die früher wie ein Vogel gezwitschert hatte. Sie fühlte sich krank und elend, hatte oft kaum noch die Kraft, sich nach Hause zu schleppen. Dort aßen sie dann, was sie zu essen hatten, und weil es ja doch keinen anderen Gesprächsstoff gab als ihre drückende Not, krochen sie anschließend gleich ins Bett, fielen sofort in den Schlaf der Erschöpfung und kamen aus dieser Starre erst wieder zu sich, wenn es Zeit zum Aufstehen war, sie sich bei Kerzenlicht anzogen und zurück an die Maschinen gingen. Sie waren so abgestumpft, daß sie nicht einmal mehr besonders unter dem Hunger litten; nur die Kinder jammerten noch, wenn Schmalhans Küchenmeister war.
    Und doch war Onas Seele nicht erstorben – ihrer aller Seelen waren das nicht, sondern schliefen nur; dann und wann erwachten sie, und das waren grausame Momente. Da taten sich dann die Tore der Erinnerung auf;

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