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Der Dschungel

Der Dschungel

Titel: Der Dschungel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Upton Sinclair
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es schoß ein Strahl Wurstmasse heraus und riß den Darm mit sich. Man konnte dabeistehen und zuschauen, wie die Maschine auf wundersame Weise eine sich ringelnde Wurstschlange von unglaublicher Länge gebar. Diese Gebilde wurden in einem großen Trog aufgefangen, und an dem standen zwei weitere Frauen, die sie ebenso schnell ergriffen, wie sie erschienen, und sie zu Gliedern einer Kette zwirbelten. Für den Uneingeweihten war diese Arbeit die verblüffendste, denn es gehörte bloß eine einzige Drehung des Handgelenks dazu, und irgendwie entstand so unter den Händen der Arbeiterin aus einer endlosen Wurstschlange ein Bündel von Wurstketten, die alle von einem einzigen Mittelpunkt herabbaumelten. Es war wie Taschenspielerei – denn die Frau arbeitete so geschwind, daß das Auge ihr einfach nicht folgen konnte; man sah nur eine wirbelnde Bewegung, durch die eine Wurstgirlande nach der anderen entstand. Doch dann bemerkte der Besucher plötzlich das angespannte Gesicht mit den beiden tiefen Furchen auf der Stirn und den geisterbleichen Wangen, und da fiel ihm auf einmal ein, daß es Zeit war weiterzugehen. Die Arbeiterin aber ging nicht weiter, sie blieb auf jenem Fleck stehen – Stunde für Stunde, Tag für Tag, Jahr für Jahr zwirbelte sie Würste im Wettlauf mit dem Tod. Es war Akkordarbeit, und wahrscheinlich hatte die Frau eine Familie zu ernähren, doch erbarmungslose ökonomische Gesetze wollten es, daß ihr das nur möglich war, indem sie auf diese Weise arbeitete, also all ihr Sinnen so auf die dabei nötigen Handgriffe richten mußte, daß sie niemals auch nur einen kurzen Blick auf die feingekleideten Herrschaften werfen konnte, die sie anschauen kamen wie ein wildes Tier in einer Menagerie.

14
    Mit einem Familienmitglied als »Knochenfieslerin« in einer Konservenfabrik und einem anderen, das in einer Wurstfabrik arbeitete, kannten unsere Freunde die meisten der in Packingtown üblichen Betrügereien aus erster Hand. Zum Beispiel, daß hier alles verdorbene Fleisch, das zu nichts anderem mehr zu verwenden war, entweder in die Konserven wanderte oder aber durchgedreht und zu Wurst verarbeitet wurde. Zusammen mit dem, was sie von Jonas wußten, der in einer Pökelabteilung gearbeitet hatte, verfügten sie über einen internen Einblick in die Praktiken und das Geschäft mit dem Schadfleisch, und sie erkannten einen neuen und bösen Hintersinn in dem alten Packingtowner Witz, daß vom Schwein nichts unverwertet bleibe bis auf das Quieken.
    Von Jonas hatten sie gehört, daß das Fleisch oft sauer sei, wenn es aus der Lake kommt, und daß man es dann mit Soda einreibe, um den Geruch herauszubringen, und es danach an die Kneipen für deren Freibüfetts verkaufe. Er hatte auch erzählt, was sie alles für Wunder mit Hilfe der Chemie vollbrachten, indem sie jeder Sorte Fleisch, ob frisch oder eingesalzen, ob im Stück oder gehackt, jede gewünschte Farbe und jeden gewünschten Geschmack gaben. Zum Pökeln von Schinken hatten sie einen raffinierten Apparat, der Zeit sparte und die Produktion steigerte. Er bestand aus einer an eine Pumpe angeschlossenen Hohlnadel; stieß man diese Kanüle in das Fleisch und betätigte mit dem Fuß die Pumpe, wurde in Sekundenschnelle ein ganzer Schinken mit Pökellake durchgespritzt. Trotzdem stellten sich immer wieder Schinken als verdorben heraus, und manche davon stanken so, daß man es im gleichen Raum kaum aushalten konnte. Diese ließen die Fabrikanten dann mit einer konzentrierten Lake spritzen, die den Geruch wegnahm; die Arbeiter nannten das »dreißig Prozent verpassen«. Auch nach dem Räuchern erwiesen sich manche Schinken als schlecht. Früher hatte man die als »Güteklasse III« verkauft, doch dann war ein findiger Kopf auf ein neues Verfahren gekommen, und so löste man jetzt den Knochen heraus, um den herum die faulige Stelle gewöhnlich liegt, und brannte das Loch mit einem glühenden Eisen aus. Seitdem gab es keine drei Sorten mehr, jetzt war alles »Güteklasse I«. Überhaupt ließen sich die Fabrikanten da ständig etwas einfallen. Eine ihrer Neuheiten nannten sie »Kalifornischen Schinken«, und das war nichts weiter als Schulterstücke mit viel Gelenkknorpel, von denen man fast das ganze Fleisch weggeschnitten hatte. Ein anderes Produkt hieß »Feinschinken ohne Haut«; der stammte von den ältesten Schweinen, deren Schwarte so zäh war, daß sie sich erst verkaufen ließ, wenn man sie gekocht, kleingehackt und als »Sülzwurst« auf den Markt gebracht

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