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Der Düsterkrallenwald: Roman (German Edition)

Der Düsterkrallenwald: Roman (German Edition)

Titel: Der Düsterkrallenwald: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Russbült
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Blick auf das Frühstückstablett und wandte sich dann einem Gewirr aus dünnen Seilen zu, die neben der Herdstelle aus der Decke hingen. Jedes von ihnen war an seinem Ende anders eingefärbt. Mit wenigen Handgriffen hatte sie das Knäuel entwirrt und zog zwei Mal kräftig an dem mit der magentafarbenen Markierung. Gerade hatte sie sich wieder dem Chaos in der Küche zugewandt, da standen auch schon zwei der Tunnelgnome vor ihr und warteten auf Anweisungen.
    Tunnelgnome waren seltsame Geschöpfe. Sie hatten etwas von vergreisten Babys. Fast kahlköpfig, bis auf ein paar vereinzelte Strähnen, die ihrem Kopf oder dem Kinn entsprangen, rannten diese zwei Fuß großen Geschöpfe meist unbekleidet umher. Alt und jung war an ihrem Äußeren genauso wenig zu erkennen wie männliche und weibliche Geschlechtsmerkmale. Sie waren ungeschlechtlich. Nicht die Laune der Natur hatte sie hervorgebracht, sondern die Magie großer Zauberer, die es leid waren, sich ihre Pfeife selbst zu holen oder die Tiegel und Mörser abzuwaschen und zurück ins Regal zu stellen.
    Meister Othman hatte mehrfach versucht, Rubinia für dieses Wunder zu begeistern und ihr von seinen Untersuchungen an den Tunnelgnomen erzählt, doch sie hatte es immer wieder geschafft, sich dieser Unterhaltung zu entziehen, indem sie dringliche Arbeiten vorschob. Solche Gespräche hielt sie für wenig schicklich, besonders wenn sie zwischen dem Hausherrn und seiner Bediensteten geführt wurden. Irgendwann hatte sie beschlossen, die kleinen Helfer einzukleiden und hatte ihnen Hosen und Hemden genäht. Ihr Vorhaben war jedoch ständig sabotiert worden, weil die Tunnelgnome ihre neuen Sachen dazu benutzten, Silberbesteck zu polieren, die farbigen Bleiglasfenster zu reinigen oder den Fußboden damit feudelten. Rubinia hatte aus der Not eine Tugend gemacht und die Reste der Näharbeiten zu Putzlappen verarbeitet. Danach hatte sie kurze lederne Hosen für die Gnome genäht und jedem von ihnen drei der Lappen am Gürtel festgebunden. Was zu Anfang wenig Begeisterung bei den kleinen Helfern hervorrief, wurde schnell zu einer großen Sensation, als sie feststellten, was man alles in Taschen verstauen und an Schlaufen gebunden an ihnen befestigen konnte. Seit diesem Tag rannten sie mit einem Sammelsurium der verschiedensten Gegenstände in und an ihren Hosen herum, die die Auslagen so manchen Krämers.
    Rubinia war etwas erstaunt über das schnelle Erscheinen der Tunnelgnome. Oft trieben sie sich irgendwo im Turm herum, und es dauerte eine halbe Ewigkeit, bis sie sich meldeten. Außerdem waren sie zu zweit gekommen.
    »Wo kommt ihr denn so schnell her?«, fragte sie.
    Gemeinsam deuteten sie auf das Stück Wendeltreppe, das vom Foyer hinunterführte in die Küche.
    »Ich verstehe«, sagte Rubinia, obwohl das sicherlich etwas übertrieben war. Mit der Zeit hatte sie sich an die karge Ausdrucksweise und die spärlichen Antworten der Gnome gewöhnt. Tunnelgnome beherrschten die allgemeine Sprache ganz exzellent, doch benutzten sie diese nur ungern. Stattdessen knurrten, zischten und pfiffen sie, verwendeten Gebärdensprache und untermalten sie mit den nötigsten Worten.
    »Wer von euch ist Magenta?«, verlangte Rubinia zu wissen.
    Ein schriller Pfiff erklang, und der linke der beiden riss den Arm in die Höhe.
    »In Ordnung, und wer bist du?«, fragte sie den anderen, der äußerst unbeteiligt wirkte.
    »Tannengrün«, antwortet der Gnom beiläufig.
    Magenta und Tannengrün waren natürlich nicht ihre richtigen Namen. Rubinia hatte ihnen diese gegeben, weil ihre wirklichen Namen lediglich eine Aneinanderreihung lauter Konsonanten waren, die alle ähnlich klangen. Wie sie zu den Namen gekommen waren, wollten die Gnome nicht verraten, aber Rubinia vermutete, dass es die ersten Laute waren, die sie von sich gegeben hatten, als sie das Licht der Welt erblickten.
    »Tannengrün?«, wiederholte sie und starrte angestrengt zu Boden. »Um Himmels willen, die Kristalle! Wo bist du die ganze Zeit gewesen?«
    »Mmphf, verkehrt abgebogen«, erklärte der Gnom und verdrehte den Arm über der Schulter, um es etwas anschaulicher zu gestalten.
    Rubinia hatte nur wenig mit den Experimenten von Meister Othman zu tun. Vieles von dem, was er tat, oder worüber er sprach, war für sie ein Buch mit sieben Siegeln. Trotzdem bemühte sich der Magier, sie in seine Arbeit mit einzubeziehen. Sie suchte nach Ingredienzen für Zaubersprüche, kaufte Tiegel, Mörser, gläserne Kolben und allerhand kompliziert

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