Der Duft der Eukalyptusbluete - Roman
nicht sicher, ob sie es verkraften würde, von einem Arzt auf ihre Jungfräulichkeit untersucht zu werden. Dennoch war sie Jack dankbar für sein Taktgefühl.
»Reden Sie mit meiner Mutter«, riet er ihr. »Sie hat viel Lebenserfahrung. Vielleicht kann sie Ihnen Ihre Angst nehmen.«
Abbey, den Tränen nahe, nickte. »Ich danke Ihnen für alles, was Sie für mich getan haben«, wisperte sie. »Wie soll ich das jemals wiedergutmachen?«
Jack legte ihr seine Hand auf die Schulter. »Das brauchen Sie nicht. Ich bin immer für Sie da, vergessen Sie das nicht.«
Abbey nickte abermals, und Jack wandte sich wieder seinen Hunden zu, die ungeduldig darauf warteten, dass er ihnen den Ball warf.
Als Abbey langsam zum Haus zurückschlenderte, dachte sie darüber nach, was für ein feiner Mensch Jack war. Er war freundlich und sanft und einfühlsam. In gewisser Weise erinnerte er sie an Neal, über dessen Tod sie noch lange nicht hinweg sein würde. Abbey hatte in den letzten Tagen kaum an ihn gedacht und deswegen ein schlechtes Gewissen, aber es war einfach zu viel auf sie eingestürmt. Neal war meine große Liebe, sinnierte sie betrübt, aber ich bin noch so jung, vielleicht wird eines Tages ein anderer Mann in mein Leben treten, den ich genauso lieben kann.
9
Die unterschiedlichsten Gefühle tobten in Heath, als er von Bungaree aus nach Auburn fuhr, um Edward Martin noch einmal aufzusuchen. Er war zornig, verwirrt, enttäuscht, fühlte sich ohnmächtig und aus dem Gleichgewicht geworfen. Er wusste nicht, was er von Abigail Scottsdale halten sollte. Einerseits hatte er den Verdacht, dass sie das Testament seines Vaters genau kannte und ihm die missbrauchte Unschuld vorgespielt hatte. Andererseits hielt er es für durchaus möglich, dass sie tatsächlich nur ein Opfer seines wollüstigen Vaters war. Im Augenblick schien Heath Ersteres wahrscheinlicher. Aber wie dem auch war: Er konnte es sich nicht leisten, irgendetwas dem Zufall zu überlassen.
Als er Edward in dessen Kanzlei an der Hauptstraße von Auburn nicht mehr antraf, ging er um die Ecke zu ihm nach Hause. Edward hatte gerade zu Abend gegessen und saß mit der Zeitung auf der Veranda, wo er die Kühle des frühen Abends genoss. Sophie, seine Frau, die ohne Punkt und Komma plapperte, und seine Tochter Bryony waren zu einem Spaziergang mit ihrem Hund aufgebrochen. Eigentlich liebte Edward diese stillen Minuten, in denen er in Ruhe seine Zeitung lesen konnte, aber an diesem Abend fiel es ihm schwer, sich zu konzentrieren, weil er unentwegt an seinen verstorbenen Freund Ebenezer denken musste und an die Nachricht, die Frank Bond, der Geschäftsführer der Kupfermine, ihm geschickt hatte.
Als wäre das noch nicht genug, ihn um seinen wohlverdienten Feierabend zu bringen, wurde das Gartentor aufgerissen und Heath stapfte den Weg herauf zur Veranda.
»Ich war gerade draußen auf Bungaree Station«, sagte er.
»Wieso denn das?«
»Weil Miss Abigail Scottsdale jetzt dort wohnt. Sie ist die Gesellschafterin von Jack Hawkers Mutter.«
Edward versuchte gar nicht erst herauszufinden, wie Heath sie so schnell aufgespürt hatte. »Hast du mit ihr gesprochen?«
»Ja, das hab ich.« Heath ließ sich schwer in einen Sessel fallen. »Das hat mich allerdings auch nicht viel weitergebracht, weil ich jetzt gar nicht mehr weiß, was ich denken soll.«
»Wie ist sie denn so?«, fragte Edward neugierig. Er wusste von Ebenezers Liebschaften mit jüngeren Frauen, aber geheiratet hatte er mit Ausnahme von Meredith Barton keine. Deshalb nahm er an, dass diese Abigail Scottsdale etwas ganz Besonderes war.
»Sehr jung und sehr attraktiv«, erwiderte Heath. »Sie behauptet, mein Vater hätte ihr eine Nachricht geschickt und sie darin gebeten, nach Martindale zu kommen, damit er mit ihr über eine Entschädigung für den Verlust ihres Vaters verhandeln könne. Miss Scottsdales Vater ist anscheinend vor kurzem bei einem Minenunglück ums Leben gekommen.«
»Das klingt aber gar nicht nach Ebenezer«, bemerkte Edward trocken. »Seit er die Mine vor ein paar Jahren gekauft hat, sind etliche Arbeiter getötet worden, aber er hat den betroffenen Familien nicht ein einziges Mal eine Entschädigung angeboten. Im Gegenteil, ich hatte Anweisung, ihm jeden vom Hals zu halten, der ihm eventuell Schwierigkeiten bereiten könnte.«
Heath machte eine wegwerfende Handbewegung. »Vielleicht ist das auch nur gelogen wie alles andere«, knurrte er. Insgeheim traute er
Weitere Kostenlose Bücher