Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Duft der grünen Papaya

Der Duft der grünen Papaya

Titel: Der Duft der grünen Papaya Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Benedict
Vom Netzwerk:
Wald geschlichen, wobei er darauf achtete, das Haus erst dann zu verlassen, wenn Tuila und Tristan auf der anderen
Seite bereits schliefen. Ivana war das geringste Problem. Wenn sie fragte, wohin er wolle, gab er zur Antwort, dass sie das nichts anginge und dass sie den Mund halten solle. Manchmal brannte es ihm auf der Zunge, ihr zu sagen, dass er bei den Mau war und wie sehr sie ihn achteten und lobten für seine Heldentaten. Die Scheune eines Siedlers, zwei Pferde eines Züchters und eine eben erst eröffnete Poststation waren Tupu kürzlich zum Opfer gefallen – kein anderer Mau auf Savaii war derart erfolgreich wie er. Doch er musste vorsichtig sein, vor allem gegenüber einer schwatzhaften Frau wie Ivana, und so ließ er sie über den Zweck seiner nächtlichen Streifzüge im Unklaren.
    Heute hatte er sich ein neues Ziel ausgesucht. Das lang gezogene Gebäude lag etwas außerhalb eines Dorfes, und Tupu musste sich deshalb nicht allzu vorsichtig anschleichen. Er näherte sich dem Haus von der Strandseite her, wo der dunkle Sand und das nächtliche Meer seinen Schemen nahezu verschluckte. Lautlos überwand er umgestürzte Palmen und aufragende Wurzeln, duckte sich und kroch in den Hohlraum des auf Stelzen stehenden Gebäudes. Eine Weile blieb er auf dem Rücken liegen und lauschte nach Geräuschen. Dann wusste er, dass niemand ihn gesehen oder gehört hatte, und suchte zwischen den Stelzen nach einer Stelle, die sich eignete, ein Feuer zu entzünden. Einen Ast, umwickelt mit lange brennenden Trockenblättern, hatte er bei sich, ebenso einen Zündstein. Er schlug ein paar Funken, die auf dem feuchten Sand verglühten, ohne die Fackel zu entflammen.
    Plötzlich hörte er Geräusche. Er verhielt sich still. Durch ein Loch in den Bodenbrettern konnte er einen kleinen Teil im Innern des Hauses sehen, und tatsächlich erhellte jetzt ein schwacher Lichtschein die Wohnung. Ein weißes Tuch huschte direkt über dem Loch vorbei. Die Tür wurde geöffnet.

    »Hallo«, rief eine Stimme halblaut. »Ist da jemand?«
    Verflucht, dachte Tupu. Der Alte hat mich gehört.
    Er verhielt sich weiterhin still. Natürlich hätte er die Beine in die Hand nehmen und über den Strand wegrennen können, ohne bemerkt, geschweige denn erkannt zu werden. Aber er und davonlaufen! Einen Rückzieher machen! Er blieb liegen und glaubte, dass die Situation sich von allein beruhigen würde, stattdessen legte sich langsam ein schwacher Lichtschein auf seinen Körper.
    »Was tust du da?«, fragte Ordinarius Löblich. »Komm da raus.«
    Tupu kroch aus dem Hohlraum hervor. Jetzt ärgerte er sich, dass er seine Maske vergessen oder, besser gesagt, für unnötig gehalten hatte.
    Der Alte hielt ihm die Kerze vor das Gesicht.
    »Ich kenne dich«, sagte Löblich. »Du bist der Schwager des Leutnants. Nun sag mir, was du vorhattest. Komm schon, sag es. Wenn du es mir nicht verrätst, wirst du es deinem Schwager erklären müssen.«
    So weit hatte es nie kommen sollen, dachte Tupu, doch nun war es so weit gekommen.
    Er holte seinen Dolch aus dem lavalava und stach zu.
    Löblich sank nach vorn, und dann, als Tupu nicht mehr damit rechnete, drückte der Missionar ihm instinktiv die Kerze auf die Brust.
    Tupu schrie auf. Wutentbrannt zog er den Dolch aus Löblichs Bauch und rammte ihn ein weiteres Mal in den Körper. Der Missionar brach zusammen, regte sich nicht mehr. Mit dem Fuß drehte Tupu den Mann um, sah in die offenen, leeren Augen und wusste, dass er tot war. Ihm schauderte beim Anblick dieser Augen, daher drehte er die Leiche erneut um.
    Vorsichtig befühlte er die kreisrunde Brandwunde an seiner Brust. Sie schmerzte, war jedoch nicht schlimm, im
Gegenteil. Die Mau würden staunen, wenn er nach seiner Narbe am Oberarm bereits die zweite Verletzung vorweisen konnte, während sie noch nicht eine einzige hatten.
    Er hörte Stimmen, die sich näherten. Ursprünglich hatte er die Missionsstation anzünden wollen, dieses Symbol des aufgezwungenen Glaubens, des entmündigten Volkes, doch dafür blieb nun keine Zeit mehr. Ein toter Missionar war, genau genommen, noch weit ruhmvoller als eine brennende Baracke.
    Über den Strand trat Tupu den Rückzug an. Doch erneut hatte er Pech, denn er lief einer der Nonnen, der schlanken, fast direkt in die Arme. Auch sie trug eine Kerze in der Hand und versuchte durch die Dunkelheit zu erspähen, wer vor ihr stand.
    »Schwester Dorothea!«, rief eine Stimme ein Stück hinter ihr. »Nicht so schnell, ich komme nicht

Weitere Kostenlose Bücher