Der Duft der Mondblume
Catherine, als sie den Brief zusammenfaltete. Dann öffnete sie das letzte Kuvert.
Es dauerte ein, zwei Sekunden, bis ihr klarwurde, was sie da in der Hand hielt. Die Unterlagen kamen von Bradleys Anwalt. Ihr Mann hatte die Scheidung eingereicht.
Als Catherine die dürren, kalten Worte las, zitterten ihr die Hände. Ihre Ehe war aufgrund »unüberwindlicher Gegensätze« gescheitert. Es folgte eine exakte Aufteilung des gemeinsamen Besitzes, wobei erläutert wurde, dass alles, was ein Partner in die Ehe eingebracht hatte, auch bei ihm verblieb. So wurde Bradley das kleine TradeWinds-Apartment und das geringe Anlagevermögen zugeschlagen. Catherine durfte »Geschenke wie Schmuck« behalten. Außerdem bot Bradley ihr eine kleine Barabfindung an.
Es erschütterte Catherine, ihre Ehe auf eine Liste materieller Besitztümer reduziert zu sehen. Doch dann wurde sie wütend. Bradley war wie üblich vorgeprescht und stellte sie nun vor vollendete Tatsachen. Selbstverständlich würde sie die Papiere erst einmal von ihrem Vater prüfen lassen! Doch als sie dann ihren Kaffee austrank, wich ihr Zorn der Resignation. Es war vorbei. Worum denn noch kämpfen? Und wozu? Sie hatte tatsächlich nur wenige materielle Werte in die Ehe eingebracht. So wie sie ja auch jetzt kaum etwas besaß.
Doch PJ und die Tage auf Hawaii hatten Catherine gezeigt, dass es andere Werte gab. Anders als bei der Elterngeneration der fünfziger Jahre sollte ihr Leben nicht von Sparsamkeit, harter Arbeit, Sorgen um die Zukunft, um die Zukunft ihrer Kinder und die Alterssicherung geprägt sein. Sie wollte nicht zu Hause sitzen, während der Mann das Geld verdiente und dann entschied, was damit geschah. Nein, die Vorstellungen der Freigeister und Kämpferinnen für Frauenrechte, ihrer Altersgenossen aus den siebziger Jahren, die sich in losen Gemeinschaften zusammenschlossen und für den Augenblick lebten, hatten Catherines Vorstellungswelt grundlegend verändert.
Sorgfältig glättete sie die Papiere und schob sie ins Kuvert zurück. Vielleicht war eine Scheidung von Bradley ja wirklich das Beste.
Draußen traf sie Mouse.
»Hallo, Catherine! Was haben Sie vor?«
»Ich wollte zurück nach Hanapepe fahren und ein paar Sachen holen. Heute Abend esse ich mit Mrs.L., und ich übernachte auch hier.«
»Ah, das ist gut. Sie ist voller Sorgen. Alles wegen Heiau. Schlechte Sache, sehr schlecht. Wollen Sie reiten?«
»Morgen vielleicht, Mouse. Ganz früh?«
»Wir reiten zu besonderem Platz. Im Westen. Sie kennen Waimea Canyon?«
Bislang war Catherine nur am Aussichtspunkt des »Grand Canyon des Pazifik« gewesen und hatte die majestätischen Klippen bewundert. »Ja, Mouse. Aber ich war noch nie unten. Von oben wirkte es beeindruckend.«
»Ich bringe Sie zu besonderem Platz. Wir reiten früh los, bei Sonnenaufgang, ja?«
»Gern. Ich borge mir im Hotel Reitstiefel. Bis morgen.«
Auf dem Weg zu den plakettenverzierten Palmen kam ihr Abel John entgegen.
»Hier bist du ja«, lächelte der große Mann sie an. »Wie geht’s, wie steht’s?« Er küsste sie auf die Wange.
»Das Leben nimmt interessante Wendungen. Gerade habe ich meine Scheidungspapiere erhalten.«
»Ach, du meine Güte. Aber auch das geht vorüber. Was macht PJ ?«
Catherine biss sich auf die Lippe. »Ich weiß es nicht. Er ist mit ein paar anderen zum Surfen nach Indonesien geflogen und will dort auch in einem Surffilm mitspielen. Seit Wochen habe ich nichts von ihm gehört.«
»Ach, Catherine, da musst du die Surfer verstehen. Sie verschwinden oft für Monate. Aber was ist mit dir? Was sagt dein Herz?«
»Ich weiß nicht, was ich fühle, Abel John. Es ist ganz leer.«
»Du musst anfangen, an dich selbst zu denken. Nicht irgendwo im Schatten darauf warten, dass das Leben anfängt. Du musst selbst leben. Für dich.«
»Irgendwie sagt mir das jeder«, seufzte Catherine. »Wie geht’s deiner Familie?«
»Allen gut. Aber hier«, er schüttelte den Kopf, »geht es nicht so gut. Komm mit.«
Hinter dem Palmenhain und den geschützten Teichen lag jenseits der Kanäle die Lichtung. Entsetzt blieb Catherine stehen. Schweres Gerät war im Einsatz, und überall sah man Arbeiter. In einer Ecke war Erde aufgehäuft. Seile und Absperrbänder teilten das schlammige Gebiet mit der langen Steinmauer und anderen Mauerresten in mehrere Abschnitte.
»Sie räumen das doch nicht etwa weg?«
»Dieser Geschäftspartner von Eleanor hat die Anweisung gegeben. ›Zieht den Neubau hoch, nehmt die Steine und
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