Der Duft der Rose
Belletoile, Monsieur Bejaht«, sagte er eine Nuance freundlicher. »Ich nehme an, dass Ihr Euch nach der anstrengenden Reise frisch machen wollt. Wir können später über alles sprechen.«
»Ich danke Euch, Euer Gnaden. Tatsächlich war die Fahrt mit der Postkutsche sehr ermüdend, und ich würde Euer Angebot deshalb gerne annehmen.«
Henri ging zu einem Glockenzug, um einen Lakaien zu rufen. »Ich bin überrascht, dass Ihr mich in meinem legeren Aufzug erkannt habt, Monsieur Bejaht«, stellte er fest, da er seine Neugier nicht zurückhalten konnte. »Noch dazu, da ich mich nicht an Euch erinnern kann.«
»Nennt mich einfach Farid. Es gehört zu meinen Aufgaben, Menschen mit und ohne Maske zu erkennen, und Madame Dessantes Etablissement ist eine Lehrstelle erster Güte, was das betrifft, Euer Gnaden.« Seine schwarzen Augen glänzten wie polierter Onyx.
Henri sah ihn zweifelnd an, aber ehe er etwas erwidern konnte, fuhr Farid fort: »Außerdem gehörten die Begegnungen mit dem Herzog von Mariasse zu jenen Momenten in meinem Leben, die ich niemals vergessen werde.«
Henri durchforstete seine Erinnerungen, ob der Mann eine Begegnung spezieller Art meinte, aber Farid unterbrach seine Überlegungen. »Nein, Euer Gnaden, nichts dergleichen. Glaubt mir, Ihr wüsstet es, wenn wir mehr miteinander geteilt hätten als die Luft in einem von Madame Dessantes Salons.«
Die Stimme tropfte wie dunkler Honig in Henris Verstand. Er blickte Farid an und bemerkte den Hauch eines Lächelns, das auf dessen sinnlichen Lippen lag. »Ich wusste nicht, dass ich so leicht zu durchschauen bin, mon cher.«
»Das seid Ihr nicht, ganz im Gegenteil, Euer Gnaden. Ihr seid ein wandelndes Mysterium. Darum meldete ich mich sofort, als Madame Dessante uns von Eurem Brief berichtete. Einige Zeit auf dem sagenhaften Belletoile mit dem nicht weniger sagenhaften Herzog von Mariasse zu verbringen, darauf habe ich nicht in meinen kühnsten Träumen zu hoffen gewagt.« Die Worte fanden mit spielerischer Leichtigkeit die Balance zwischen plumper Schmeichelei und sanftem Sarkasmus.
Henri lachte und griff nach dem Klingelzug. »Das reicht, Farid. Jean wird Euch zu Euren Räumen begleiten. Ich schlage vor, wir sehen uns dann beim Mittagessen.«
Farid verbeugte sich wieder. »Mit dem allergrößten Vergnügen.«
Er ging mit Jean davon, und Henri blickte ihm nach, ehe er sich auf den Weg in seine Gemächer machte. Vor Vincents Arbeitszimmer blieb er stehen, überlegte kurz und trat dann ein.
Vincent blickte auf, legte die Feder weg und lächelte ihn erfreut an. »Alle Pflänzchen gegossen und gestreichelt? Manchmal bin ich ernsthaft eifersüchtig auf die kleinen grünen Schlingel.«
Henri setzte sich auf die Kante des Schreibtisches. »Kein Grund zur Eifersucht, mon petit, du erfreust mich ebenso wie die neue Blüte an meiner roten Kamelie.«
»Dann bin ich ja beruhigt.« Vincent stand auf und streckte sich.
»Wie weit bist du mit den Einladungen für die Nächte der Aphrodite?«
»Die Liste ist komplett. Ich habe alle in Frage kommenden Frauen und eine ausreichende Zahl Männer vermerkt, um keinen Verdacht aufkommen zu lassen, dass etwas anderes dahinterstecken könnte als reines Vergnügen.« Er zog eine Schublade auf und reichte Henri ein Blatt Papier.
»Gut«, sagte dieser, nachdem er die Liste überflogen hatte. »Du kannst die Einladungen fertig machen und verschicken.«
Vincent runzelte die Stirn. »Ich dachte, wir warten, bis wir von Madame Dessante Antwort bekommen?«
»Madame Dessantes Antwort ist gerade eingetroffen und richtet sich im Westflügel häuslich ein.«
»Tatsächlich?«, fragte Vincent überrascht. »Wie sieht sie denn aus? Ich bin schon gespannt, sie kennenzulernen.«
»Es ist keine Frau, sondern ein Mann. Farid Bejaht. Mehr weiß ich auch noch nicht. Wir werden gemeinsam zu Mittag essen, dabei können wir uns unterhalten.«
»Ein Mann? Wolltest du nicht eine Frau als Zeremonienmeisterin?«, fragte Vincent mit gerunzelter Stirn. »Weil das weniger Ärger verspricht?«
Henri zuckte mit den Schultern. »Warum nicht etwas Neues probieren? Wenn es überhaupt nicht funktioniert, können wir ihn immer noch wegschicken und Madame Dessante ausdrücklich um eine Frau bitten.«
Vincent legte den Kopf schief und fragte nach einer Weile: »Kennst du ihn? Von früher, meine ich, aus Versailles?«
Bei ihrem gemeinsamen Besuch am Hof von Louis XIV. hatten sie natürlich auch das Etablissement von Madame Dessante aufgesucht, aber
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