Der Duft der Rosen
attraktiv und intelligent. Sie hatten sich gut amüsiert bei der Benefizveranstaltung. Doch statt Carsons Bild stieg vor ihrem geistigen Auge das dunkle Gesicht seines Bruders auf.
Zachary Harcourt hatte schon immer gut ausgesehen. Mit vierunddreißig aber war er noch attraktiver als zehn Jahre zuvor. Doch er wirkte nun irgendwie anders, dunkler, markanter. Er war kein Junge mehr, sondern ein Mann. Ein Mann, der wusste, was er wollte. Er hatte im Gefängnis gesessen, das wusste sie.
Sie fragte sich erneut, was er dort draußen bei Teen Vision tat, und schwor sich, Carson beim nächsten Mal danach zu fragen.
Es war Freitag, und Rauls erste Woche bei Teen Vision neigte sich dem Ende zu. Elizabeth wollte sehen, wie es ihm ging, und heute hatte sie endlich die Zeit, um Sams Angebot eines Rundgangs anzunehmen.
Als sie ihren glänzenden, noch fast neuen Acura an einer staubigen Ecke geparkt hatte, stieg sie aus und ging auf den Bürotrakt neben dem Schlafgebäude zu. Sam musste gesehen haben, dass sie kam. Sie hatte vorher angerufen, also hatte er vielleicht Ausschau nach ihr gehalten. Er lächelte breit, als er ihr entgegenkam und sie begrüßte, bevor sie die Hälfte des Weges zurückgelegt hatte.
“Ich bin so froh, dass Sie kommen konnten.” Er umschloss ihre Hand und drückte sie herzlich.
“Das bin ich auch. Ich hätte schon viel früher hier herauskommen sollen.”
“Sie hatten keinen Grund, das zu tun. Nicht bis Raul kam.” Er führte sie ins Büro und zeigte ihr die Räumlichkeiten. “Wir haben sechs Vollzeitbetreuer. Es sind, egal zu welcher Zeit, immer mindestens zwei Leute vor Ort.”
Er zeigte ihr die Schreibtische der Betreuer und das winzige Badezimmer. Dann führte er sie in den kleinen Konferenzraum mit dem Tisch und den dunkelblau gepolsterten Stühlen – ein Zimmer, in dem die Betreuer sich mit den Jungen zu einem Gespräch zurückziehen konnten. Danach geleitete er sie nach draußen.
“Raul ist draußen auf der Weide. Er kann gut mit Tieren umgehen.”
“Er hat eine sehr sanfte Seite, auch wenn er alles tut, um sie zu verbergen.”
Sam nahm sie mit in das Schlafgebäude, zeigte ihr den Fernsehbereich und eines der Zweibettzimmer oben. “Jeder Junge hat ein bestimmtes Maß an Privatsphäre, doch wir erlauben keine geschlossenen Türen, und mehrmals am Tag gibt es zufällige Zimmerkontrollen.”
Im dritten Gebäude war die Kantine untergebracht. Der große Saal bot Platz für die ganze Gruppe. In der Küche war alles aus Edelstahl und tadellos sauber. Sie sah zwei Jungen darin arbeiten.
“Wir haben einen Vollzeitkoch, doch die Jungs übernehmen den Putzdienst und helfen bei den Vorbereitungen. Wir wechseln die Aufgaben, damit keiner benachteiligt wird oder anfängt sich zu langweilen.”
“Sie machen hier wirklich eine wunderbare Arbeit, Sam.”
Er lächelte geschmeichelt. Sie gingen hinaus, wo die neue Scheune gebaut wurde. Als sie zu der Gruppe Jungen blickte, die gerade an der dritten Wand rumhämmerten, verlangsamten sich ihre Schritte.
“Was macht Zachary Harcourt hier? Ich halte es für keine gute Idee, einen Mann wie ihn in die Gesellschaft leicht beeinflussbarer Teenager zu lassen.” Ihr Blick klebte an seinem nackten Oberkörper, an dem sich jedes Mal die kräftigen, sehnigen Muskeln abzeichneten, wenn er einen weiteren Nagel einschlug.
Sam folgte ihrem Blick und begann zu lachen.
“Was ist daran lustig? Zachary Harcourt hat zwei Jahre wegen fahrlässiger Tötung im Gefängnis gesessen. Er war betrunken und hatte Drogen genommen, und er hat einen Mann getötet. Nach seiner teuren Kleidung zu urteilen, ist er noch immer in illegale Geschäfte verstrickt.”
Sam lächelte noch immer. “Ich schließe daraus, dass Sie Zach nicht allzu sehr mögen.”
Sie dachte an den Tag, an dem er sie vor den Augen der Stammkunden gedemütigt hatte. Wie er sie gegen die Wand gedrängt und versucht hatte, sie zu küssen. Wie seine Hand ihr Bein hochgefahren war und versucht hatte, sich unter den blöden pinkfarbenen Rock ihrer Uniform zu schieben. “Zachary Harcourt war niemals zu etwas gut. Und ich glaube, das hat sich nicht geändert.”
Sams Lächeln erlosch. “Warum gehen wir nicht hinüber in den Schatten? Es gibt da ein paar Dinge über Teen Vision, die Sie wissen sollten.”
Er führte sie in den Schatten eines großen Ahornbaumes mit dickem Stamm, der unweit der Scheune stand. “Den Zachary Harcourt, den Sie vor Jahren kannten, gibt es nicht mehr. Er starb in der Zeit,
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