Der Duft der Rosen
keinen richtigen Weg gab, das Thema anzusprechen.
“Maria liebt diesen Ort genauso wie Sie”, sagte sie. “Aber manchmal macht das Haus Geräusche, die sie ängstigen. Sie muss an das Baby denken, und wenn Sie nachts nicht zu Hause sind, hat sie Angst.”
“Sie ist ein Kind. Sie muss endlich erwachsen werden.”
Verdammt! Sie war dabei, es zu vermasseln. “Was ich sagen will, Miguel, ist, dass Maria … dass sie sich sicher fühlt, wenn Sie hier bei ihr sind. Sie weiß, dass Sie sie beschützen können. Vielleicht könnten Sie jemanden finden, der abends bei ihr bleibt, wenn Sie erst spät nach Hause kommen.”
Miguel sagte etwas auf Spanisch, das sie nicht richtig verstand und auch nicht verstehen wollte. Durch ihre Arbeit beherrschte sie die Sprache, die sie schon an der Highschool und im College gelernt hatte, nahezu fließend. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass man hier in der Gegend ohne solche Kenntnisse auskam.
“Ich werde mich um meine Frau kümmern, wie ich es immer getan habe. Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen.”
Elizabeth rang sich ein Lächeln ab. “Danke, Miguel. Ich wusste, Sie würden das verstehen.”
Verstehen?
Der Mann hatte das Einfühlungsvermögen eines Kaninchens. Gott sei Dank hatte sie Marias Geist nicht erwähnt.
Sie ließ die beiden am Wohnzimmerfenster stehen und hoffte, dass Maria nicht büßen musste für diesen Hilfeversuch. Sie hatte der jungen Frau versprochen, herauszufinden, was in dem Haus geschah. Sie wollte ihr Wort halten. Am Montag würde sie als Erstes Carson Harcourt um ein Treffen bitten.
Als sie Carson anrief, schien er nicht im Mindesten erfreut.
“Ich fürchte, ich bin den ganzen Tag beschäftigt”, sagte er brüsk. “Was willst du?”
“Hör zu, Carson, mir ist klar, dass es dich geärgert hat, dass ich mit Zach zum Lunch war, aber das tut jetzt nichts zur Sache. Ich muss mit dir über etwas sprechen, was auf der Farm geschieht.”
Eine kurze Pause. “In Ordnung. Ich arbeite den ganzen Nachmittag zu Hause.”
“Passt dir zwei Uhr?”
“Gut. Bis dahin.” Er legte auf, und Elizabeth erwartete, dass sich ein Gefühl des Bedauerns bei ihr einstellte. Offensichtlich hatte Carson nicht vor, noch einmal mit ihr auszugehen. Eigentlich sollte sie darüber unglücklich sein. Doch die nackte Wahrheit war: Sie fühlte sich nicht von Carson Harcourt angezogen, und das würde auch immer so bleiben. Früher oder später wäre es sowieso so weit gekommen. Lieber heute als morgen.
Sie hatte drei Beratungstermine hintereinander an diesem Montagvormittag. Um neun kamen Geraldine Hickman und ihre Tochter. Eine Stunde später folgte die zehnjährige Nina Mendoza, und danach hatte sie eine Sitzung mit Richard Long, einem Mitglied ihrer Wuttherapiegruppe.
Mrs. Hickman und ihre Tochter waren auf Initiative der Tochter gekommen, nachdem diese entdeckt hatte, dass ihre zwölfjährige Tochter mit verschiedenen Jungen aus der Schule Sex hatte.
“Mark hat meine Kinokarte bezahlt”, hatte Carol ihrer Mutter in einer Sitzung erklärt. “Wie sonst hätte ich ihm das zurückgeben können?”
Es machte Elizabeth krank, daran zu denken, wie wenig sich diese jungen Mädchen selber schätzten – ihr Körper war ihnen nicht mehr wert als ein Kinoticket.
Nina Mendozas Sitzungen wurden vom Staat bezahlt. Die ganze Familie wurde betreut, seit die Polizei zum dritten Mal hintereinander zu ihrem Haus gerufen worden war. Emilio Mendoza wurde wegen Trunkenheit, ungebührlichen Benehmens und Widerstand gegen die Staatsgewalt verhaftet. Später entdeckte man, dass er auch seine jüngste Tochter, die damals acht war, krankenhausreif geschlagen hatte, weil sie nicht aufgegessen hatte.
Nina war zwischenzeitlich in einem Frauenhaus untergekommen, nun aber zu ihrer Familie zurückgekehrt. Alle begriffen allmählich, dass Gewalt kein notwendiger Bestandteil des Lebens war.
Elizabeths letzter Patient an dem Morgen war ein zweiundvierzigjähriger Mann namens Richard Long. Ihn hatte das Gericht geschickt. Richard war ein örtlicher Anwalt, der seine Frau so oft verprügelt hatte, dass er nun zur Beratung musste, wenn er nicht seine Zulassung verlieren und im Gefängnis landen wollte.
Richard war außerdem zu der Teilnahme an den Gruppensitzungen am Dienstagabend verurteilt worden, die entweder von ihr oder von Michael geleitet wurden, doch bislang schien der Mann nur seine Zeit abzusitzen. Elizabeth fragte sich, ob auch nur die leiseste Chance bestand, dass der Mann sich
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