Der Duft der roten Akazie
sie regelrecht an. »Wir hätten nie gehofft, dass du einmal einen so reichen Mann heiraten wirst. Wir sind zwar nicht vermögend, genießen jedoch hohes gesellschaftliches Ansehen. Du bist die Tochter eines Gutsherrn und hübsch dazu. Allerdings ist Schönheit allein nicht genug. Manchmal kannst du so abweisend und herablassend sein, mein Kind. Ich war schon kurz davor zu verzweifeln. Bald bist du eine alte Jungfer. Und nun ein solches Angebot! Wenn du schon nicht an dich selbst denkst, nimm wenigstens Rücksicht auf deine Schwestern und deinen Bruder und überlege, was du für sie tun könntest.«
Aber ich müsste mein Zuhause verlassen und nach Übersee in ein fremdes Land ziehen.
Ihr Einwand stieß auf taube Ohren. Sie verlangten, dass sie ihre Pflicht tat. Und sie wusste, dass sie nur vorgab, selbst über ihr weiteres Leben zu bestimmen, obwohl die Entscheidung längst gefallen war. Sie musste an ihre Familie denken, die von dieser Hochzeit profitieren würde. Ihr Zukünftiger war ein reicher Mann, der viel Einfluss genoss. Und auch wenn er, in den Worten ihrer Mutter ausgedrückt, kein richtiger Gentleman war, konnte man darüber hinwegsehen. Aus Liebe heiraten zu wollen, war Kinderei. Man heiratete aus Pflichtgefühl und zum Wohle seiner Mitmenschen.
Deshalb hatte sie ihr Herz in die Schranken gewiesen, als es zu brechen drohte, und sich den Wünschen ihrer Eltern gefügt. Und dennoch … und dennoch hatte er etwas Kaltes im Blick. So kalt wie ihr eigenes Herz. Es machte ihr Angst.
Plötzlich schreckte Ella hoch, verwirrt und von einer düsteren Vorahnung erfüllt. In ihrem Traum war sie in ihre dunkle Vergangenheit zurückgekehrt. Sie lockerte ihre steifen Glieder und stellte fest, dass sie sich an etwas Festes und Warmes schmiegte. Eine kräftige Hand umfasste ihre Taille. Als sie verdutzt die Augen aufschlug, bemerkte sie, dass sie sich im Schlaf an Adam gekuschelt hatte, der sie sicher im Arm hielt.
In ihrer Verlegenheit riss sie sich so heftig los, dass ihr schwindelig wurde. »Verzeihung«, stieß sie hervor und strich sich das zerzauste Haar aus der Stirn. »Offenbar bin ich eingeschlafen.«
»Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen.« Seinen Blick konnte sie nur als zweifelnd deuten. »Es ist lange her, dass eine Frau in meinen Armen geschlafen hat.«
Ella starrte ihn aus großen Augen an und glaubte, sich verhört zu haben. Er lachte. »Ich habe vom Schlafen gesprochen, Cinderella. Natürlich gab es zum Umarmen andere Gründe.«
Sie fand, dass er sich derb, ungehobelt und unmanierlich aufführte. Ein Händler, auf keinen Fall ein Gentleman. Seine Bemerkung empörte sie, und sie fühlte sich beleidigt, da er offenbar so wenig von ihrer Ehrbarkeit hielt, dass er solche Gedanken laut äußerte. Allerdings war sie klug genug zu wissen, dass sie Adam nicht nach ihren eigenen Maßstäben beurteilen konnte. Er kam aus einer anderen Welt, weshalb sie Zugeständnisse machen musste.
Er beobachtete sie, ein Lachen in den Augen, und erwartete offenbar eine Reaktion auf sein empörendes Verhalten.
»Sind Sie verheiratet?«, erkundigte sie sich, nachdem sie sich wieder einigermaßen gefasst hatte.
»Nein«, erwiderte er. »Das gehört zu den Dingen, die ich bis jetzt vermieden habe.«
»Ich frage mich, wo mein Mann ist.«
»Es könnte sein, dass Sie Witwe sind«, entgegnete er.
War das möglich? War ihr Mann tot? Erklärte das, warum sie allein auf der Straße umhergeirrt war? Sie versuchte, Trauer zu empfinden, aber da war nichts als eine entsetzliche Leere.
Ella spürte, dass Adam sie betrachtete und versuchte, ihrer Miene etwas zu entnehmen. Doch er schwieg, denn auch er war klug genug zu wissen, wann es nichts zu sagen gab. Wortlos saß sie da, schwankte im Gleichtakt mit dem Karren hin und her und starrte wie Adam geradeaus auf die Straße. Das Schweigen erinnerte sie an die Stille gestern an der Lagune. Was wäre aus ihr geworden, wenn sie Harvey nicht begegnet wäre? Wäre sie durch den Busch geirrt und irgendwann gestorben? Was würde geschehen, nachdem sie den Gasthof erreicht hatten? Würde Adam davonfahren und sie dort zurücklassen? Sie drängte die Angst zurück. Jemand musste sie doch vermissen und nach ihr suchen. Alles andere war ausgeschlossen!
Als Adam die Zügel fester umfasste, rutschte sein Ärmel hoch, sodass Ella den Rand seiner Tätowierung im Blick hatte. »Warum steht 1849 auf Ihrem Arm?«, platzte sie, teils um sich von ihren Befürchtungen abzulenken, teils aus Neugier,
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