Der Duft der roten Akazie
hatten sie eine Kurve im Weg umrundet, als sie plötzlich eine Stelle erreichten, die Ella merkwürdig vertraut erschien. »Anhalten!«, rief sie.
Adam brachte Bess mit einem »Ho!« zum Stehen und blickte erstaunt zur Seite. Ella starrte auf das dürre Gestrüpp am Wegesrand und den dünnen Schössling, der sich wie ein Speer daraus erhob.
»Hier hat Mr Harvey mich gefunden«, erklärte sie leise und spürte, wie sie zu zittern begann. »Da unten ist ein Sumpf.«
»Seaton’s Lagune«, unterbrach er sie. Seine Stimme sorgte dafür, dass ihre Angst sich legte. »Ich gehe besser nachschauen, für den Fall, dass Sie etwas vergessen haben. Möchten Sie mitkommen?«, fügte er hinzu.
Ella schüttelte den Kopf.
Wortlos reichte Adam ihr die Zügel und verschwand die Böschung hinab. Er blieb ziemlich lange fort, und Ella wartete ungeduldig. Obwohl sie versucht war, ihm zu folgen, wusste sie, dass sie diesen Ort nie wiedersehen wollte. Wolf scharrte mit gesenktem Kopf und gerecktem Schweif im Gebüsch. Endlich kehrte Adam zurück.
»Nun?«, erkundigte sie sich in schärferem Ton als beabsichtigt.
Er zuckte die Achseln. »Kein Gepäck, Mrs Seaton. Tut mir leid. Aber Sie waren da unten nicht allein. Ich bin auf Fußabdrücke gestoßen. Schätzungsweise drei Männer. Sie haben ihre Pferde auf dem Weg zurückgelassen und sind hinuntergeklettert. Vermutlich haben sie gedacht, dass Sie tot sind oder zumindest im Sterben liegen, als sie Sie dort hinabgeworfen haben.« Er hielt inne. »Anscheinend waren sie in Eile. Vielleicht haben sie ja jemanden auf dem Pfad gehört. An manchen Tagen herrscht hier reger Verkehr. Das könnte die Erklärung sein, warum es nicht noch schlimmer gekommen ist.«
»Schlimmer?«, rief sie aus. »Wie viel schlimmer hätte es denn noch kommen sollen?«
Er kratzte sich den Bart. »Nun, wenigstens haben die Kerle Sie nicht vergewaltigt, Mrs Seaton.«
Er klang so gleichmütig, als nenne er ihr die Uhrzeit. Ella erbebte unter ihrer Pferdedecke und starrte ihn an. Er wandte den Blick ab. »Wir sollten weiterfahren«, murmelte er. Ella schwieg und konnte nicht aufhören zu zittern. »Ich halte nichts davon, sich an Frauen zu vergreifen«, fügte Adam nach einer Weile in demselben Tonfall hinzu.
In seinen Augen stand ein Glitzern, das sie noch nicht kannte, und sie brauchte eine Weile, um es zu deuten. Es war Wut. Adam war wütend, weil man ihr so übel mitgespielt hatte.
»Harvey hat mir erzählt, derartige Dinge geschähen hier ständig«, flüsterte sie.
»Nicht, wenn ich es verhindern kann.«
Seine Worte klangen beruhigend, und langsam ließ das Beben nach. Einige Kilometer später musste Ella einräumen, dass die wärmende Wirkung der Pferdedecke den Stilbruch tatsächlich wettmachte. Wahrscheinlich gab es Frauen, die sie um diese Decke und den Karren beneidet hätten, dachte sie sich. Allmählich lullten die Wärme und das Schaukeln des Karrens sie ein, sodass ihr der Kopf vornübersank, und bald war sie eingeschlafen.
* * *
Es war Tag, und die Sonne verbreitete ein mildes Licht. Lautlos schritt sie über den mit Tannennadeln bedeckten Boden. Obwohl es ihr niemand gesagt hatte, ahnte sie, dass sie nicht mehr das Kind aus dem dunklen Traum war, sondern eine Frau. Ich bin hier, um eine Entscheidung zu fällen, hielt sie sich vor Augen. Und zwar eine, die mein Leben verändern wird. Die Sonne beschien ihr Gesicht, und dennoch fühlte sie sich bedrückt. Eine unsichtbare Last ruhte auf ihren Schultern.
»Eine Frau muss heiraten, und es wird langsam Zeit, dass du eine Wahl triffst«, hörte sie die Stimme ihres Vaters.
Aber er ist nicht der Richtige.
Ihre Mutter konnte ihre Zögerlichkeit nicht verstehen. Welche Möglichkeit hatte eine Frau außer der Ehe? »Er ist ein einflussreicher Mann und außerdem wohlhabend und gut aussehend. Auch wenn er kein Gentleman sein mag, wirst du ihm schon den nötigen Schliff beibringen. Hat er nicht auch eine Schwester?«
»Ja, in Sydney.«
»Er scheint sehr an ihr zu hängen. Und ein Mann, der ein enges Verhältnis zu seiner Schwester hat, wird seine Frau sicherlich auf Händen tragen.«
Ich liebe ihn nicht.
»Liebe? Was faselst du da von Liebe?«, herrschte ihr Vater sie an, sodass sie zusammenzuckte. »Du bist kein närrisches Kind mehr, sondern eine erwachsene Frau von vierundzwanzig Jahren. Du solltest für jeden Heiratsantrag dankbar sein, vor allem, wenn es sich um so eine gute Partie handelt.«
Ihre Mutter versuchte es diplomatischer und flehte
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