Der Duft der roten Akazie
Regen prasselte gegen die Scheibe des schmalen Fensters, als Adam endlich wieder erschien. Zitternd schloss er die Tür, und als Ella sich ihm in die Arme warf, fühlten sich seine Kleidung und seine Lippen kühl an.
Sie half ihm aus der Jacke. Noch ehe sie sie zusammenfalten konnte, schlang er schon die Arme um sie und zog sie aufs Bett. Sie wollte protestieren, aber er küsste sie und rollte sie herum, dass sie unter ihm lag.
»Ich habe dich vermisst«, sagte er lächelnd.
»Wirklich?«, flüsterte sie.
Er beugte sich zu ihr hinunter und küsste sie lange und leidenschaftlich. Im nächsten Moment rissen sie einander die Kleider vom Leibe. Ella verschwendete keinen Gedanken mehr an den Verstorbenen, denn sie feierten das Leben, nicht den Tod, als sie sich an ihn klammerte, wie um ihn nie wieder loszulassen.
Lange Zeit später schmiegte Adam sich fest an sie. »Ich habe einen guten Preis für die Pferde erzielt«, sagte er.
»Das freut mich«, murmelte Ella mit geschlossenen Augen. Ihr Gesicht ruhte an seiner warmen Schulter, und ihre Hand glitt über seinen Brustmuskel bis zum Herzen, um zu spüren, wie es schlug.
»Jedenfalls reicht es, um uns nach Sydney zu bringen. Morgen buche ich uns eine Passage. Je früher wir verschwinden, desto besser.«
»Werde ich wieder als Frau reisen?«, erkundigte sie sich. »Ich fühle mich als Mann nämlich recht wohl.«
Er lachte. »Ich glaube, als Mann ist es sicherer, wenigstens bis wir in Sydney sind. Wenn jemand die reizende Mrs Seaton sucht, findet er nur den alten Fred mit seinen O-Beinen und seinem stinkenden … Autsch!«
Sie hatte ihn gezwickt.
Mit einem gespielten Knurren hielt Adam ihr die Hände über dem Kopf fest. Allerdings änderte er seine Pläne und küsste sie stattdessen.
»Hast du auf dem Pferdemarkt eine graue Stute gesehen?«, fragte Ella schließlich ein wenig atemlos.
Zärtlich strich er über ihre gerunzelte Stirn. »Nein. Bess auch nicht.« Sein Tonfall war zwar beiläufig, aber sie kannte ihn zu gut, um sich davon täuschen zu lassen. Die Erinnerung an Bess und Adams Versuch, einen Laden zu eröffnen, sorgte dafür, dass sie an die Zukunft dachte.
»Adam, was hast du vor, wenn wir in Sydney sind?«
»Vielleicht kaufe ich mir wieder einen Karren und ein Pferd und mache mich auf den Weg zu den Goldfeldern am Turon River.«
Ungläubig starrte Ella ihn an. »Soll das heißen, es hat dir gefallen, mit Bess in diesem Karren herumzufahren? Der Regen … der Schlamm … und …«
Er krümmte sich vor Lachen. »Oh Cinderella!«, keuchte er schließlich. »Dein Gesicht …« Er holte Luft, räusperte sich und wischte sich die Lachtränen weg. »Nein, Liebling«, erwiderte er ernst. »Gefallen hat es mir nicht. Doch ich war unabhängig und niemandem Rechenschaft schuldig.«
»Ich verstehe.« Das entsprach den Tatsachen. Er brauchte seine Freiheit. Aber würde sie das noch einmal durchhalten? In einem Karren durch Regen und Schlamm zu fahren? In einem Zelt auf dem harten Boden zu schlafen? Sich von Hammelfleisch, Fladenbrot und Tee zu ernähren?
Sein Atem streifte ihre Wange. Als sie sich umdrehte, stellte sie fest, dass er ganz nah bei ihr war. Er musterte sie forschend. »Das verlange ich nicht von dir«, flüsterte er.
»Das brauchst du auch nicht«, antwortete sie. Ihr Tonfall war scharf, weil sie mit den Tränen kämpfte. »Denn ich würde es auf jeden Fall tun. Ich würde alles tun, um bei dir zu sein.«
Adam, der eigentlich mit einer Weigerung gerechnet hatte, war völlig überrascht. Lange Zeit betrachtete er sie nur, um festzustellen, ob sie es ernst meinte. Nachdem ihm klar geworden war, dass es sich so verhielt, lächelte er so stolz und liebevoll, dass es ihr den Atem raubte.
Das plötzliche Klopfen an der Tür klang wie Gewehrschüsse.
Ella fuhr hoch, während Adam fluchend aus dem Bett sprang und in seine Hose schlüpfte. »Wenn es die Polypen sind«, zischte er ihr zu, »sind wir von der Tea-Tree-Farm und in der Stadt, um einen draufzumachen.«
Wieder klopfte es, dass der Türrahmen wackelte, als wolle er zusammenbrechen. Erst als Ella Adams Hände schmerzhaft an den Armen spürte, bemerkte sie, dass er vor ihr stand und mit ihr sprach. »Ella«, sagte er und rüttelte sie kräftig. »Hör mir zu. Wenn sie mich mitnehmen wollen, hindere sie nicht daran, dann lassen sie dich vielleicht in Ruhe.«
Sie schüttelte mit Nachdruck den Kopf.
»Ella!«
Im nächsten Moment hörten sie durch das Holz der Tür eine gedämpfte Stimme.
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