Der Duft der roten Akazie
abseits der Hauptstrecke gehen, doch er achtete stets darauf, sich nicht zu weit von den anderen zu entfernen. Manchmal mussten sie Rast machen, damit Bess sich ausruhen konnte. Dann wieder war ein besonders holperiges Stück Straße zu überwinden, während die übrigen Goldgräber weitermarschierten, bis ihre Stimmen in der Ferne verhallten.
Ella gefiel das gar nicht, und sie ertappte sich dabei, dass sie sich ständig ängstlich umsah. Jeden Moment rechnete sie damit, dass eine Horde blutrünstiger Straßenräuber aus dem Unterholz brechen könnte. Wenn Harvey recht hatte, und inzwischen war sie davon überzeugt, war sie von Straßenräubern überfallen und halb tot an der Seaton’s Lagune liegen gelassen worden. Ella hatte nicht die geringste Lust, diese Erfahrung zu wiederholen.
Die Stille surrte ihr im Schädel. Als etwas im Gebüsch raschelte, machte sie einen Satz. Adam sah sie fragend an. »Das war nur ein Vogel.« Seine Augen funkelten gleichzeitig besorgt und amüsiert. Ella bebte und versuchte, die in ihr aufsteigende Furcht zurückzudrängen.
»Ich frage mich, was das für Männer sind, die Straßenräuber werden.«
Adam warf ihr einen neugierigen Blick zu und schaute dann wieder geradeaus auf die schlammige Straße. »Ein paar von ihnen sind ehemalige Goldgräber, die Pech gehabt haben, andere Glücksritter auf der Suche nach einem Abenteuer. Es sind auch entlassene Sträflinge dabei, die keine Lust auf Arbeit haben. Sie müssen zugeben, Mrs Seaton, dass es einfacher ist, jemandem, der sich bereits für sein Gold abgemüht hat, die Barschaft abzunehmen, als selbst zur Schaufel zu greifen.«
»Wahrscheinlich.« Beklommen rutschte Ella hin und her und schaute sich wieder um.
»Natürlich besteht die Beute nicht nur aus Gold«, fuhr Adam fort. »Straßenräuber sind nicht wählerisch und schnappen sich alles, was Geld bringt.« Er stellte fest, dass sie erbleichte. »Aber, aber, Mrs Seaton, es gibt keinen Grund zur Sorge. Ich habe gehört, dass inzwischen Polizisten im Wald patrouillieren. Außerdem bin ich ja da, um Sie zu beschützen.«
Doch wie sollte ein Mann allein mit einem Dutzend bewaffneter Mörder fertigwerden?, überlegte Ella bedrückt. Offenbar standen ihr ihre Zweifel ins Gesicht geschrieben, denn er sprach in selbstbewusstem Ton weiter.
»Ich bringe uns beide wohlbehalten nach Bendigo, Mrs Seaton.«
Wider alle Vernunft glaubte sie ihm.
Gegen Mittag legten sie eine Rast ein. Ella trank ihren Tee und verspeiste das Brot, das Adam am Vorabend auf der Glut des Lagerfeuers gebacken hatte.
Hier bin ich schon einmal vorbeigekommen, dachte sie, während sie durch Nebelschwaden und Regen den Mount Macedon betrachtete. Aber sie konnte sich nicht genauer daran erinnern. Was mochte eine Frau wie sie dazu gebracht haben, nur mit einem Diener als Beschützer durch diesen Wald zu reiten? Es musste ein sehr wichtiger Grund gewesen sein.
Ella wurde unruhig und brannte darauf, wieder aufzubrechen. Allerdings hatte Adam andere Pläne und ließ sich nicht hetzen. Inzwischen kannte sie ihn gut genug, um das zu wissen. Bei ihrer ersten Begegnung hatte sie ihn nur als den fahrenden Händler wahrgenommen. Doch seitdem wusste sie ein wenig über ihn. Adam war ein guter Mensch – zumindest hatte er sie gut behandelt. Vielleicht hoffte er auf eine großzügige Belohnung. Allerdings glaubte sie nicht, dass das der einzige Grund für seine Freundlichkeit war.
Seufzend zauste sie Wolf das Fell und warf Adam dabei einen verstohlenen Blick zu. Er lehnte mit geschlossenen Augen am Rad des Karrens, wirkte völlig entspannt und schien offenbar eingenickt zu sein. Sie fragte sich, wie alt er wohl war. Manchmal, wenn er von seinen Erlebnissen in Kalifornien erzählte, hatte sie den Eindruck, dass er jünger sein musste als sie selbst. Und dann wieder sagte er etwas, das ihn viel älter und weiser erscheinen ließ.
Ella rutschte ungeduldig hin und her. Was spielte es für eine Rolle? Ihre Lebenswege hatten sich kurz gekreuzt und würden sich bald wieder trennen. Doch sosehr Ella sich auch nach ihrem früheren Leben zurücksehnte, wusste sie, dass sie Adam nie vergessen würde.
Inzwischen hatte er die Augen aufgeschlagen und musterte sie. Seiner Miene war nichts zu entnehmen. Wie brachte er nur diesen ausdruckslosen Blick zustande?, überlegte Ella. Anfangs habe ich ihn für offen und aufrichtig gehalten, aber in Wahrheit ist er undurchschaubar. Er verschließt sich und zeigt anderen nur das, was sie sehen
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