Der Duft der roten Akazie
schien er in geordneten und wenig ereignisreichen Verhältnissen gelebt zu haben.
Ella fragte sich, was er wohl von diesem Land hielt, in das ihn eine weite Reise geführt hatte, und ob er sich nach zu Hause zurücksehnte. Doch als sie sich danach erkundigte, fielen seine Antworten so wenig begeistert und nichtssagend aus, dass sie sich wunderte, dass er überhaupt hergekommen war.
Nach einer Weile begann seine steife Art, Konversation zu betreiben, sie zu langweilen, insbesondere als er ihr einen Vortrag darüber hielt, welche Eigenschaften er von einer guten Ehefrau erwartete. »Tatsächlich? Ich hätte nicht gedacht, dass Sie verheiratet sind, Mr Morris«, entgegnete sie.
»Das bin ich auch nicht«, erwiderte er ernst. »Bisher bin ich noch keiner Frau begegnet, die meine Voraussetzungen erfüllt.«
Als Ella ihn argwöhnisch ansah, hatte ihr Blick offenbar eine abschreckende Wirkung auf den armen Mr Morris, denn er hüstelte verlegen.
»Ich bedaure, dass Sie die Richtige noch nicht gefunden haben«, verkündete sie in demselben selbstgerechten Ton wie er. »Allerdings fürchte ich, dass Sie als Junggeselle sterben werden, wenn Sie Ihre Ansprüche nicht ein wenig herunterschrauben.«
»Sie enttäuschen mich, Ma’am. Schätzen Sie Ihre Geschlechtsgenossinnen wirklich so gering? Es muss doch Frauen geben, denen daran gelegen ist, sich vom Mittelmaß abzuheben.«
Ella fehlten die Worte.
Mr Morris, der ihr Schweigen offenbar für die Folge seiner Schlagfertigkeit hielt, fuhr fort. »Ich dachte«, begann er und räusperte sich, »als ich das erste Mal mit Ihnen sprach, Ma’am, und Ihre traurige Geschichte hörte, dass Sie möglicherweise eine Frau sein könnten, die …«
Nun hatte Ella endgültig genug. »Dann müssen Sie sich auf eine böse Überraschung gefasst machen. Ich bin nicht vollkommen, sondern habe jede Menge Schwächen, die alle nicht mehr zu beheben sind.«
»Aber nein, Ma’am. Mir sind nur ein oder zwei Kleinigkeiten aufgefallen, die so belanglos sind, dass Sie sie mit ein wenig Anstrengung sicher überwinden könnten.«
»Anscheinend verstehen Sie mich nicht, Mr Morris«, gab sie kühl zurück. »Ich mag meine Schwächen und hänge an ihnen, weshalb ich gar nicht das Bedürfnis habe, sie zu bekämpfen.«
»Das ist jammerschade, Ma’am, wirklich jammerschade.« Kopfschüttelnd beschleunigte Mr Morris seinen Schritt und schloss sich wieder den anderen an.
»Dem haben Sie es aber richtig gegeben«, murmelte Adam anerkennend.
Ella errötete. »Ich war unhöflich und sollte mich bei ihm entschuldigen.«
Adam lachte. »Unhöflichkeit ist die einzige Sprache, die Leute wie er verstehen. Ihr einziger Fehler war, dass Sie überhaupt freundlich zu ihm gewesen sind. Ich habe mich schon gefragt, ob ich Sie für immer an ihn verloren habe.«
»Im Gegensatz zu Mr Morris verlange ich von meinen Begleitern keine Vollkommenheit«, erwiderte Ella mit Nachdruck. Als ihr klar wurde, was sie gerade gesagt hatte, lief sie wieder rot an.
Adam grinste sie an. »Ich auch nicht«, meinte er nur.
Zahlreiche Pfade führten zwischen den Bäumen des Black Forest hindurch, als hätte jeder, der diesen Wald durchquerte, sich seinen eigenen geschaffen. Ella war sicher, dass sie sich allein verirrt hätte. Außerdem war es totenstill. Wie von der düsteren Stimmung dieses Orts zum Schweigen gebracht, hatten die Vögel aufgehört zu singen. Je tiefer sie in den Wald hineinkamen, desto schweigsamer wurden auch sie selbst, und Ella bemerkte, dass Adam sich immer wieder nach Verfolgern umsah. Rechts von ihnen ragte der Mount Macedon aus einem Dunstschleier auf.
»Als der alte Major Mitchell in den Dreißigerjahren dieses Land erkundet hat, hat er auch den Gipfel des Macedon bestiegen«, berichtete ihnen der Schäfer. »Er hat das ganze Land bereist, und wir benutzen heute noch die Pfade, die er hinterlassen hat. Nur, dass wir sie heute Straßen nennen!«
Die Straße, auf der sie sich befanden, war wirklich in einem erbärmlichen Zustand, denn der Regen hatte sie in eine Schlammpiste verwandelt. Obwohl man die unwegsamsten Stellen mit Baumstämmen überbrückt hatte, gab es zahlreiche Schlaglöcher und Rinnen, die tief genug waren, um sich sämtliche Beine zu brechen. Adam schüttelte den Kopf. »Die Straße ist schon jetzt miserabel. Noch ein paar Wochen starker Verkehr und Regenwetter, und sie wird unpassierbar sein.«
Die arme Bess mühte sich tapfer ab. Wenn möglich, ließ Adam sie auf einem festeren Nebenpfad
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