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Der Duft der roten Akazie

Der Duft der roten Akazie

Titel: Der Duft der roten Akazie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kaye Dobbie
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Offenbar fielen ihm die Zustände hier nicht auf – oder sie waren ihm nichts Neues. Vermutlich hatte er in Kalifornien Schlimmeres gesehen. Ein zwielichtig wirkender Mann schlenderte vorbei. Ihm folgte eine Frau, deren Rock so grellfarbig war, dass er in der Dämmerung leuchtete. Vor ihnen stand ein Goldgräber rauchend auf der Straße. Seine Hose war mit Schlamm verkrustet, und er hatte die Ärmel seines roten Hemdes aufgekrempelt, als unternähme er einen Sommerspaziergang.
    »Wo ist der Gasthof von Mrs Ure?«, rief Adam ihm zu.
    Der Mann beschrieb ihm den Weg. »Die Frau ist ein richtiges Miststück«, fuhr er, ein hämisches Grinsen auf dem bärtigen Gesicht, fort. »Wenn sie glaubt, dass sie damit durchkommt, zieht sie einem das Fell über die Ohren. Also seien Sie vorsichtig.«
    Adam schmunzelte nur geheimnisvoll. »Mich wird sie nicht betrügen.«
    Der Gasthof befand sich abseits der Hauptstraße auf einer kleinen Anhöhe, die die Stadt überblickte. Das Gebäude bestand aus senkrechten Brettern, die auf der einen Seite von dickeren Stämmen gestützt wurden, vermutlich damit sie nicht umfielen. Durch die Ritzen zwischen den Brettern fiel Kerzenlicht. Die mit Läden verschlossenen Fenster waren schief, sodass der Eindruck entstand, das Haus zwinkere einem zu. Als sie näher kamen, hörten sie von drinnen Radau. Jemand bearbeitete kräftig eine Ziehharmonika, die jedoch vom Geschrei und Gelächter beinahe übertönt wurde.
    Inzwischen konnte Ella das Schild des Gasthofs erkennen, das von einer Lampe beleuchtet wurde. Es stellte, ziemlich ungeschickt ausgeführt, einen zähnefletschenden Löwen dar, der dennoch recht bedrohlich wirkte. Schaudernd zog Ella die Decke fester um sich und hoffte, dass es sich nicht um ein Omen handelte.
    Vor dem Gasthof standen Pferde an ein Geländer gebunden. Es war aus den Stämmen eines Papiereukalyptus gezimmert, von dem noch die Rindenstücke hingen. Ein Junge lungerte daneben herum. Als Adam den Karren anhielt, kam er näher. Ella fand, dass seine Kleidung aussah wie geliehen, denn die Hose war zu groß und das Hemd zu klein.
    »Ich suche Mrs Ure«, sagte Adam.
    Der Junge räusperte sich. »Das ist ihr Gasthof. Soll ich Ihr Pferd halten?«, erbot er sich.
    »Können wir nach hinten zum Stall gehen, mein Junge? Ich möchte meine Waren nicht auf der Straße stehen lassen, wo jeder darin herumwühlen kann.«
    Der Junge nickte und trottete voraus um das Gebäude herum, worauf Adam mit den Zügeln schnalzte und den Karren durch ein schmales Tor in einen dunklen, ruhigen Hof manövrierte. Die Hintertür des Gasthofs stand offen. Lampenlicht und köstliche Düfte drangen heraus.
    Adam wies mit dem Daumen auf die Tür. »Nancy ist da drin. Warten Sie einen Moment, bis ich Bess versorgt habe. Dann bringe ich Sie rein.«
    Ella holte tief Luft. »Werden Sie ihr auch weismachen, dass wir Mann und Frau sind, so wie Ihrem Bruder?«
    Er zögerte. »Diesmal nicht. Aber ich möchte, dass Sie alles tun, was ich sage. Und seien Sie nett zu ihr. Zuckersüß, Mrs Seaton. Schaffen Sie das?«
    »Warum?«, fragte Ella.
    Er zwinkerte, und der Schalk funkelte in seinen Augen. »Wenn Sie heute Nacht ein Bett wollen, überlassen Sie mir das Reden.«
    Welchen Sinn hatte es, in der Kälte herumzustehen und mit ihm zu streiten? »In Ordnung, Adam.«
    Er grinste und begann, Bess das Zaumzeug abzunehmen. Der Junge half ihm dabei. Auf dem Hof roch es nach Schlamm, Pferdeäpfeln und Stroh, sodass Ellas leerer Magen vor Abscheu rebellierte. Sie rieb sich die Augen und wartete schwankend in der Dunkelheit. Bisher hatte sie gar nicht bemerkt, wie erschöpft sie war.
    Über ihr leuchteten die Sterne hell und klar am kalten Himmel. Sie blickte hinauf. Der Atem stand ihr wie eine Rauchwolke vor dem Mund. Es war, als beschriebe das Firmament gewaltige Kreise über ihrem Kopf, sodass ihr schwindelig wurde. Vielleicht war es ja auch sie selbst, die sich bewegte.
    Adam fasste sie am Ellbogen und stützte sie. »Kommen Sie«, meinte er. Sein Atem streifte warm ihre Wange. Mit Adam auf der einen und Wolf auf der anderen Seite gelang es Ella, den Gasthof einigermaßen aufrecht zu betreten.
    Beinahe wäre sie über die Backsteine gestolpert, die die Vortreppe bildeten. Im nächsten Moment waren sie im Gebäude. Wärme hüllte sie ein, und köstliche Gerüche hießen sie willkommen. Blinzelnd stellte sie fest, dass sie sich in einer Küche befanden. In einem Backsteinkamin brannte ein Feuer, auf dem brodelnde Kessel

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