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Der Duft der roten Akazie

Der Duft der roten Akazie

Titel: Der Duft der roten Akazie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kaye Dobbie
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wegdämmerte, stand ihr die Seaton’s Lagune vor Augen. Im nächsten Moment war sie ein Vogel, der über das Wasser flog. Immer tiefer schwebte sie über der Wasserfläche, die klar und reglos war und kaum eine Welle kräuselte. Sie konnte den Schlamm auf dem Grund und einige träge dahinschwimmende Fische erkennen. Und plötzlich war da ein bleiches Gesicht. Neds Gesicht mit weit offenen Augen und einem Mund, der nie mehr sprechen würde.
    Plötzlich war Ella wieder hellwach. »Nein!«, rief sie aus. Das grausige Bild verblasste zwar sofort, doch an Schlaf war nicht mehr zu denken. Nach einer Weile gab sie es auf und kroch leise, um Kitty nicht zu stören, unter dem Karren hervor zum Feuer. Inzwischen war es fast heruntergebrannt, und sie beugte sich vor, um sich die Hände zu wärmen. Adam hob den Kopf. Sein Haar war zerzaust, seine Augen wirkten schläfrig.
    »Entschuldigung, ich wollte Sie nicht wecken.«
    Er fuhr sich mit der Hand übers Gesicht. Wegen seines starken Bartwuchses sah er ein wenig ungepflegt aus. Sie wünschte, er würde sich rasieren, denn ohne Bart gefiel er ihr besser. »Können Sie nicht schlafen?«, fragte er.
    »Schlecht geträumt.« Sie lächelte ihm spöttisch zu, schob ihren Zopf in den Nacken und ordnete ihre Gedanken. »Adam, haben Sie unten an Seaton’s Lagune irgendetwas bemerkt?«
    Er blinzelte sie schlaftrunken an. »Nur Fußabdrücke. Ihre und die von drei weiteren Personen. Keine Gobelintasche, falls Sie das meinen. Das hätte ich Ihnen gesagt.«
    »Ich weiß.« Das Kinn auf die Hände gestützt, starrte sie ins Feuer. »Ich überlege nur, wo Ned ist. Glauben Sie, dass er noch lebt?«
    Adam streckte sich und stützte sich dann auf einen Ellbogen. »Was ist passiert? Ist Ihnen etwas eingefallen?«
    Sie schüttelte den Kopf, dass ihr Zopf hin- und herschwang und sich das helle Haar von der Dunkelheit abhob. »Ich habe geträumt, Ned wäre ertrunken.« Sie sah ihm in die Augen.
    »Ich habe an Seaton’s Lagune keine Leiche gefunden.«
    Er beobachtete sie weiter, und sie konnte den Blick nicht abwenden. »Was, wenn Kitty recht hat und ich nie erfahre, wer ich bin? Wenn niemand nach mir sucht oder sich für mein Schicksal interessiert? Was dann, Adam?« Ihr eigener Herzschlag pochte ihr in den Ohren.
    »Haben Sie Angst?«, erkundigte er sich.
    Ella seufzte. »Ja.«
    »Sie wissen, ich würde nie zulassen, dass Ihnen etwas zustößt.«
    Ella lächelte unwillkürlich. »Das haben Sie Kitty auch versprochen.« Ihr Lächeln verflog. »Sie denkt, Sie könnten Wunder vollbringen. Aber ich weiß, dass Sie nur ein Mann sind.«
    »Nun ja.« Er zuckte die Achseln. »Wenn wir erst in Bendigo sind, werde ich mich fürs Erste dort niederlassen. Sie können bei mir bleiben, bis Sie Ihre Angelegenheiten geregelt haben. Und Kitty wird Ihre Anstandsdame.«
    Ella lachte spöttisch. »Allmählich gewinne ich den Eindruck, dass ich die Anstandsdame bin, nicht Kitty.«
    »In Bendigo wird sie mich rasch vergessen«, antwortete er mit dem Brustton der Überzeugung.
    »Halten Sie sie für so flatterhaft?«
    »Sie ist jung und hat bisher nicht viel vom Leben gehabt. Wenn sie sich umschauen kann, ohne sich Sorgen um die nächste Mahlzeit machen zu müssen, wird sie feststellen, dass viele Männer nicht abgeneigt sind. Und zwar bessere Partien, als ich es bin.«
    Ella schüttelte den Kopf. »Falls Kitty so klug ist, wie ich glaube, hält sie sich an Sie.«
    Er schwieg, doch sein Blick schien sie zu verspotten.
    Plötzlich verlegen, stand Ella auf. »Ich denke, ich kann jetzt schlafen. Gute Nacht, Adam.«
    Sie klang abweisend und unpersönlich. Das ist offenbar ein Talent von mir, sagte sie sich. Sobald mir jemand zu nahe kommt, verschanze ich mich hinter einer Mauer. So habe ich es mit Mrs Weatherby gemacht. Und nun springe ich mit Adam genauso um.
    Die Decken unter dem Wagen waren kalt. Zitternd kuschelte Ella sich hinein. Kitty neben ihr bewegte sich und seufzte, wachte aber nicht auf.
    Der Big Hill hatte seinen Namen – großer Hügel – verdient.
    Die Anhöhe erstreckte sich, immer steiler werdend, bis zum Horizont. Es gab noch eine andere, weniger beschwerliche Route nach Bendigo, die bei schlechtem Wetter sehr beliebt war. Allerdings war es ein Umweg, weshalb Adam beschlossen hatte, den Hügel in Angriff zu nehmen.
    Zumindest hatte der Regen endlich aufgehört. Der Himmel war dunstig blau, und ein kräftiger Wind trocknete den Boden. Am Straßenrand gaben gestrandete Fahrzeuge und abgekämpfte

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