Der Duft Der Wüstenrose
und heißt so viel wie ›Und sie wusste nicht, dass da eine Hyäne im Haus war‹«, murmelte Hendrik so leise, dass Fanny nicht sicher war, ob sie ihn richtig verstanden hatte.
»Charlotte!« Ludwig legte ihr sehr bestimmend den Arm um die Schultern und führte sie zum Feuer mit dem Fleisch zurück. »Es ist nicht gut, sich so gemein mit ihnen zu machen. Ich weiß, du hast dir nichts dabei gedacht, aber man darf sie nicht ermutigen.«
Fanny hätte gern gewusst, wie das Märchen mit den sprechenden Perlen weitergehen würde, und sie konnte auch nicht erkennen, was daran falsch sein sollte, mit Hendrik zu sprechen. Aber was wusste sie denn schon von diesem Land? Ludwig wollte nur ihr Bestes. Trotzdem nahm sie sich vor, bei nächster Gelegenheit mehr über das Märchen herauszufinden.
Doch als sie wieder dicht beim Fleisch stand, vertrieb der Duft des gegrillten Springbocks alle anderen Gedanken, und Fanny war nur noch hungrig. »Ich werde auch gleich zur Menschenfresserin, wenn ich nicht endlich ein Stück Fleisch bekomme«, sagte sie und hoffte, damit alle zum Lachen zu bringen und die gute Stimmung von vorhin wiederherzustellen.
»Das wird nicht nötig sein.« John reichte ihr lächelnd ein Stück Fleisch und verteilte die anderen Stücke.
Fanny verbrannte sich den Mund, weil sie zu hastig hineinbiss, doch sie wurde nicht enttäuscht, denn das Fleisch des Springbocks war zart und schmeckte ein bisschen nach Ziege. Allerdings war der Mehlbrei, den sie mit dem billigen Metalllöffel aus ihrem Napf kratzte, fader als alles, was sie im Kloster je hatte essen müssen. Sie nahm sich noch ein Stück Fleisch und weil sie so hungrig war, auch noch eine Portion Brei und aß so lange, bis sich ihr Bauch wie eine straff gespannte Trommel anfühlte.
Danach saß sie wieder mit Ludwig und John um das eine Feuer, während sich die Schwarzen dicht an dicht um das andere drängten. Weil es Fanny trotz des Feuers ständig kälter wurde, begann sie sie fast ein wenig zu beneiden. Jedes Mal, wenn sie Hendrik ansah, fragte sie sich, ob er etwas wusste, das ihr helfen würde. Vielleicht gab es ja Hunderte von Nama-Geschichten, in denen Perlen vorkamen. Oder sie war auf der richtigen Spur. Sie berührte ihre Perlen und atmete tief aus. Ich werde es herausfinden, dachte sie, ganz sicher.
Jetzt erst bemerkte Fanny, dass niemand mehr sprach und alle still dasaßen und wie gebannt in das hell und knisternd brennende Feuer starrten, das einen aromatischen Duft verströmte.
Fanny gähnte. Vollgegessen und müde hatte sie nur noch den Wunsch zu schlafen. Sie schloss ihre Augen und ließ sich nach hinten sinken, obwohl es mit jedem Zentimeter, den sie ihren Körper vom Feuer entfernte, kälter wurde. Der Untergrund bohrte sich hart und eisig in ihren Rücken, und trotzdem war sie sicher, dass sie auf diesem Bett besser schlafen würde als jemals zuvor in ihrem Leben.
Eine Decke wurde über sie gebreitet, und als sie die Augen öffnete, um zu sehen, wer sie so freundlich umsorgte, erkannte sie Ludwig, der sie fragend ansah.
»Danke, das ist sehr angenehm.«
»Es wird noch sehr viel kälter werden«, erklärte er. »Du solltest unbedingt näher ans Feuer rücken.« Er half ihr, sich umzubetten. Dabei hob sie ihren Blick und zog überrascht die Luft ein. Über ihr blinkte und schillerte der Sternenhimmel wie in einem Zaubermärchen. Dieser Anblick war so großartig, dass alles andere unwichtig und klein wurde, sogar die Menschenfresser. Sie rieb sich die Augen, setzte sich ganz auf und legte den Kopf in den Nacken, um alles noch besser sehen zu können. Wenn ich jetzt die Hände ausstrecke, könnte ich sie vom Himmel pflücken, dachte sie. Quer über das Firmament verlief eine breite, glänzende Straße aus Sternen, wie aus blinkenden Pflastersteinen zu sammengesetzt, und ganz unten erkannte sie das hell strah lende Kreuz des Südens, das ihr Charlotte nachts auf dem Schiff gezeigt hatte. Überwältigt ließ sich Fanny wieder zurücksinken, ohne ihre Augen von den Sternen zu lösen. Inmitten all des beständigen Schillerns und Funkelns blitzten unerwartet immer wieder einzelne Sterne auf, und jedes Leuchten kam ihr vor wie eine Verheißung, wie ein ganz besonderer Willkommensgruß.
3
M issi, Missi!«
Fanny unterdrückte ein Gähnen und rieb sich die Augen. Mit Schrecken fiel ihr ein, welcher Tag heute war. Ihre Hochzeit. In der vergangenen Nacht hatte sie die letzten Änderungen an Charlottes Hochzeitskleid vorgenommen, und nun passte
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