Der Duft Der Wüstenrose
es ihr wie angegossen.
Neben Fannys Bett wartete eine junge Schwarze mit einer abgestoßenen Emailkanne voller Wasser. »Bitte Sie kommen. Die Chiefs sitzen schon bei ihrer Pip und haben den Kaffee.«
»Danke, Betty, ist gut, ich beeile mich.«
Betty stellte den Wasserkrug auf der Waschkommode neben dem Fenster ab und verschwand zu Fannys großer Er leichterung. Sie war es nicht gewohnt, Zuschauer bei ihrer Toilette zu haben, und hatte hart darum gekämpft, alleine gelassen zu werden.
Seit drei Tagen waren sie jetzt Gäste im Haus von Os wald Ehrenfels, dem Richter von Windhuk. Nach den zehn Tagen auf dem Ochsentreck war Fanny das sandfreie Bett dann doch wie ein unbeschreiblicher Luxus vorgekommen, allerdings vermisste sie die Sterne und schlief schlecht. Was nicht an Ludwig lag oder an der Tatsache, dass Fanny ihm heute das Jawort geben sollte. Oder daran, dass sie jede Nacht an ihrem Hochzeitskleid nähte und noch dazu von Menschenfressern träumte, sondern an Maria von Imkeller, die ihnen unbedingt ein Hochzeitsfest ausrichten wollte. Luise, die Frau des Richters, war vor einem Jahr an einem Schlangenbiss gestorben, und Maria war der Meinung, dass der Richter endlich wieder ein bisschen unter Leute kommen musste.
Ehrenfels, der keineswegs fand, dass er mehr unter Leute gehen sollte, hatte durchblicken lassen, dass man in Windhuk nur allzu gerne jeden auch noch so unwichtigen Anlass benutzte, um eine Feier auszurichten. Und dass man es ihnen sehr übel nehmen würde, wenn sie sich dem verweigerten.
Seitdem hatte Fanny fieberhaft darüber nachgedacht, wie sie alle Zweifel, die Maria an ihrer Identität haben könnte, in der Luft zerstreuen könnte. Charlotte und sie waren sicher gewesen, dass niemand von den Passagieren bemerkt hatte, wer von ihnen welchen Namen hatte. Schließlich hatten zu Beginn der Reise viele an Seekrankheit gelitten, und später waren dann die meisten an der Lebensmittelvergiftung erkrankt. Und nachdem es dabei Tote gegeben hatte, war der Kapitän zu dem Schluss gekommen, dass es nicht schicklich wäre, weitere große Feste zu feiern.
Trotzdem hatte Fanny Angst, dass Maria jemanden aus Charlotte von Gehrings Familie kannte oder die Gerüchte um Charlottes Bruder zu ihr durchgedrungen waren. Wann immer sie mit Maria von Imkeller gesprochen hatte, hatte die durchblicken lassen, dass sie mit der Crème de la Crème des gesamten Kaiserreichs verwandt war. Und Fanny kannte nicht einen Einzigen. Außerdem wusste sie, wie groß die Unterschiede zwischen Charlottes und ihrer Erziehung waren. Im Kloster hatte man ihr weder Tanzen noch Reiten beigebracht. Dafür konnte sie drei Sprachen sprechen und unterrichten, Tiere schlachten, Wunden versorgen und Kleider nähen. Aber von Sticken oder Singen hatte sie genauso wenig Ahnung wie von Musik. Und heute war ihr Hochzeitstag, der Tag, an dem das schreckliche Fest stattfinden würde.
Sie wusch sich hastig, denn Ludwig mochte es nicht, wenn sie so spät aufstand. Er wusste auch nicht, dass es ihr so schwerfiel aufzustehen, denn sie konnte keine ihrer Sorgen mit ihm teilen, ohne sich zu verraten.
Bei ihrer Reise waren sie an den Ruinen der Mission von Okahandja vorbeigetreckt. Schwarze Holzpfähle, die aufeinanderlagen, eine einzige noch stehende rußige Haus mauer, zertrampeltes Land, tote Büsche und schließlich ein schlichtes Holzkreuz für drei Tote. Schaudernd war ihr klar geworden, dass sie beinahe hier gestrandet wäre. Sie wollte absteigen und ein Gebet für die Toten sprechen, aber Ludwig und John hatten sie zur Eile angetrieben. Sie behaupteten, das Vieh und die Eingeborenen würden nervös, denn dieser Ort sei verflucht. Erst später hatte Fanny herausgefunden, dass Ludwig und John sich ganz und gar nicht darin einig waren, warum der Ort verflucht war.
Für Ludwig war er verflucht, weil man die Mission so brutal zerstört hatte, für John war der Ort verflucht, weil man für die Mission einen uralten Ahnenbaum, der dort seit Jahrtausenden stand, gefällt hatte. Einen omumborombonga . Die Mythen der Herero besagten, dass der allererste Herero diesem heiligen Baum entsprungen sei, so wie Athene dem Kopf von Zeus.
Danach hatte sie zum ersten Mal von dem Überfall auf die Mission geträumt und von Menschenfressern mit Eimern voller Blut, und seitdem träumte sie fast jede Nacht davon. Immer tauchten ihre Perlen in dem Traum auf, und sie erwachte stets schweißgebadet. Mal trug einer der Mörder eine gelbe Perle um den Hals, mal hatte der
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