Der Duft des Anderen
Hamburgausstellung hatte Barbara ihm zwar versichert, sie habe jetzt eine Beziehung zu diesem Blonden, aber eine Beziehung war noch keine Ehe. Robert hatte nicht aufgegeben, aber er hatte gelernt. Tatschen und dumm quatschen, das hatte er sich abgewöhnt. Heute war er ganz der seriöse Partner. Es ging um das Weihnachtsgeschäft, vielmehr um eine Benefizgala zugunsten der Straßenkinder in Brasilien. Vor Wochen hatte Robert sie darauf angesprochen, ob Barbara nicht ein paar rührende Kinderbilder malen könne, unentgeltlich, der Erlös sei ja für eine gute Sache.
Barbara hatte fünf Bilder gemalt, barfüßige, magere Kinder mit großen, traurigen Augen. Genau das richtige für den Gabentisch gutgenährter Kinder mit gierigen Augen. Robert hatte einen Versuch gestartet und war sie alle fünf in den Warenhäusern losgeworden.
»Wie viele kannst du bis zum Zwanzigsten noch malen?« Am Zwanzigsten sollte die Benefizgala sein.
»Höchstens noch einmal fünf. Das ist ziemlich kurzfristig, und ich habe noch andere Aufträge.«
»Ich weiß, ich hätte das alles etwas früher anleiern müssen. Streng dich an, Mäus – Barbara, ja? Vielleicht werden es ja doch noch mehr? Von den Bildern malst du doch zwei an einem Tag. Und vergiss nicht den guten Zweck.«
»Nur dafür tue ich es. Ich will sehen, was sich machen lässt.«
»Du bist ein Schatz. Du kommst doch zu unserer Veranstaltung? Du weißt, die Leute mögen es, wenn die Künstlerin persönlich anwesend ist.«
Barbara versprach es. Sie verspeisten ihre Tortenstückchen und genossen die Aussicht auf Passanten, die mit verbissenen Mienen und schweren Plastiktüten durch den Matsch stapften. Eine kleine, zerlumpte Frau führte ihren Hund an einer Strippe durch das Gewühl, der Hund schnupperte aufgeregt an den Blumenkübeln, in denen jetzt kleine Fichten standen. Hier hatte sein Frauchen sich im Sommer gern ein bisschen in die Sonne gesetzt, und er hatte einen halben Hamburger abgekriegt. Jetzt konnte man sich nirgendwo hinsetzen.
An der Passage gegenüberstanden zwei Halbwüchsige, als Engel verkleidet, und spielten auf ihren Blockflöten, aber dem Gegenangriff auf der anderen Seite, einem Trio mit Geige, Trompete und Akkordeon, waren sie nicht gewachsen. ›Morgen Kinder wird’s was geben‹ spielte der Akkordeonmann, man konnte es bis ins Café hören. Barbara lächelte abwesend: »Übermorgen«, murmelte sie.
***
Ralph Wedeler, ein schmaler, hübscher Junge, hatte mit dreizehn als Stricher angefangen, mit achtzehn nannte er sich Callboy und empfing seine Kunden in einer netten Einzimmerwohnung. In der letzten Woche hatte er zum ersten Mal eine Anzeige aufgegeben: ›Nur für IHN‹, hatte er hinzufügen lassen.
Am Samstag vor dem zweiten Advent, spät abends, fand sein Freund ihn erstochen in seinem Badezimmer, und auf dem Spiegel feine, regelmäßige Druckbuchstaben, wie mit dem Pinsel gemalt: ›Du bist nicht der Letzte. A.K.‹
Die BILD-Zeitung schrieb: ›Der Adventmörder hat wieder zugeschlagen.‹ Die Polizeiermittlungen liefen jetzt ein bisschen intensiver. Ein Serienmörder war am Werk, der es auf homosexuelle Prostituierte abgesehen hatte, und er arbeitete professionell. Die Polizei rückte ab von der Vermutung, die Morde hätten etwas mit dem Mord an Frank S. zu tun. Damals hatte man jede Menge Fingerspuren gefunden. Die Mordwaffe war als Messer aus der Spüle in der Küche identifiziert worden. Eine Tat im Affekt, vielleicht sogar in Notwehr. Die beiden letzten Morde boten ein gänzlich anderes Bild. Keine Fingerspuren, die Mordwaffe ein Fleischermesser, wie man es in jedem Supermarkt kaufen konnte, vor der Tat unbenutzt, also eigens für den Mord angeschafft. Am Körper des Toten fand man keine Kratzer, keine Druckstellen, weder Haare noch Stoffreste. Der Täter schien ihn überhaupt nicht berührt zu haben. Ein Geschlechtsverkehr hatte in beiden Fällen nicht stattgefunden.
Auf der anderen Seite hatte der Täter vieles getan, um die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. So konnten eine ganze Menge Zeugen sein Äußeres beschreiben: dunkelhaarig, gut aussehend, etwa 1,80 m groß, dunkelbrauner Kaschmirmantel, Wildledermütze, grellbunte Krawatte. Alle Aussagen stimmten darin überein.
Die Botschaften auf dem Spiegel, so hatte man herausgefunden, waren mit einem Pinsel aufgetragen worden. Man hatte zwei Härchen gefunden, Marderhaare, so etwas benutzten Künstler.
Auch die Initialen ›A.K.‹ gaben der Polizei Rätsel auf. Bedeuteten sie ein
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