Der Duft des Anderen
geschäftlich?«
Statt einer Antwort zerquetschte Alexander etwas Unsichtbares in seinen Fäusten. Dann nahm er die Gabel und aß einen Happen. »Ich habe das geklärt«, sagte er mürrisch.
»Was geklärt?«
»Da war noch die Sache mit dem Alibi. Gestern Abend hatte ich behauptet, ich sei zu Hause gewesen, aber du weißt es ja selbst, Joachim, dass ich jeden Samstagabend im Club war.«
»Natürlich. – Oh!« Joachim legte die Hand vor den Mund. »Der Club! Du hast ihn angegeben?«
»Ich hatte keine andere Wahl.«
»Selbstverständlich nicht. Du musstest es sagen«, pflichtete Joachim ihm bei. »Rosalie wird ihr Riechsalz brauchen. Heißt das, du bist ganz raus aus der Sache?«
Alexander nickte. »Sobald mein Alibi überprüft ist, stehe ich nicht mehr unter Verdacht – um den Preis des Verrats.«
Joachim fand das lächerlich, allerdings – sein Outing hatte bereits ein anderer besorgt. Er atmete erleichtert auf und würzte mit Sambal Oelek nach. »Dann ist das Problem also vom Tisch. Mein Gott, Alex, das ist ein Schwulen-Club und nicht dein Vaterland. Nicht einmal Rosalie kann erwarten, dass du für die empfindsame Meute heroisch ins Gefängnis wanderst. – Hast du der Polizei deinen Verdacht mit Sascha mitgeteilt?«
»Dass der Täter eine Frau sein könnte? Nein, ich würde mich nur lächerlich machen, wir haben keine Beweise und außerdem regeln wir die Sache selber. Diese Nutte wird nicht auf Staatskosten im Gefängnis durchgefüttert.«
»Wer ist wir? Du und Bernie?«
Alexander schwieg verdrossen.
»Ich treffe mich heute Nachmittag mit Jan«, sagte Joachim unvermittelt. »Vielleicht kann er uns helfen, Sascha zu finden.«
»Wieso Jan? Weil er bei der Stasi war?«
»Nein, ganz einfach, weil er mehr Zeit hat als wir.«
***
Nachmittags im ›Brauerei-Keller‹ erfuhr Jan, weshalb Joachim gestern Abend so plötzlich zu Alexander gefahren war: Kein Autounfall sondern Mordverdacht, glücklicherweise bereits so gut wie ausgeräumt, aber der bzw. die Verdächtige immer noch frei, immer noch gefährlich für Alexander und für die nächsten Opfer. Jan hörte nun zum ersten Mal die seltsame Geschichte, die sich im Club zugetragen hatte, eine Frau hatte sich in Männerkleidung eingeschlichen, weil sie die Gesellschaft von Schwulen suchte.
Joachim klärte Jan über Transsexuelle auf, weil Jan Schwierigkeiten hatte, sich in die Psyche einer solchen Frau hineinzuversetzen. Wären die Umstände nicht so ernst gewesen, er hätte es für einen Scherz gehalten. Hingegen stimmte er sofort mit Joachim überein, was dessen Verdacht betraf. Dass eine Frau sich als Mann verkleidete, um zu töten, konnte er sich besser vorstellen.
»Ich helfe dir gern, Joachim, aber in einer Woche fahre ich nach Berlin zurück, und ich kann meine Mutter über Weihnachten unmöglich allein lassen.«
Joachim nickte. »Ich weiß. Monika und ich werden über Weihnachten auch nicht hier sein, wir fahren zu meiner Mutter nach Pyrmont.« Er lachte unfroh. »Meine Mutter, deine Mutter, ist das nicht komisch?«
Jan äußerte sich nicht dazu, ob er das komisch fand. Er spann seine eigenen Gedanken weiter. »Sie mordet immer samstags. Samstag ist bereits in vier Tagen.«
»Vielleicht ist sie vorsichtig geworden. Es wird jetzt immer schwerer für sie, als Alexander in der Szene aufzutauchen.«
»Oder sie handelt noch gerissener, wird noch gefährlicher«, gab Jan zu bedenken. »Vielleicht hat sie davon gehört, dass auf Alexander kein Verdacht mehr fällt, und ist wütend. Vielleicht heckt sie in dieser Minute etwas Teuflisches gegen ihn aus?«
Joachim überlegte in sein Bier hinein. »Also doch die Polizei? Aber wie soll die sie finden? Alle Spuren, die sie hinterlassen hat, weisen auf Alexander, und die sind gefälscht, wie wir wissen. Alles andere liegt im Nebel.«
»Du musst systematisch vorgehen, alle befragen, die Sascha gekannt haben. Vielleicht ergibt sich aus dem einen oder anderen Mosaiksteinchen am Ende ein Bild.«
»Ich muss arbeiten.«
»Gibt Alexander dir dafür nicht frei?«
»Ausgeschlossen. Vor Weihnachten ist bei uns die Hölle los. Alle Bürokraten haben ihre Termine in die letzte Woche gepackt, um anschließend in den Weihnachtsurlaub zu starten.«
»Ja …« Jan malte mit dem Bierschaum kleine Männchen auf die Tischplatte, »was könnte ich dann für dich tun?«
Joachim schürzte die Lippen und fixierte Jan mit einem Dackelblick.
»Nein!«
»Es ist nichts dabei. Ich verspreche dir, es vergewaltigt dich
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