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Der Duft des Anderen

Der Duft des Anderen

Titel: Der Duft des Anderen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Ahrens
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Gesicht. Mit schnellen Schritten eilte er zur U-Bahn. Unter seinen Schuhen spritzten kleine Pfützen hoch, eine Frauenstimme rief ihm hinterher: »Wohin denn so eilig, Kleiner?« Ein Betrunkener machte den Weg nicht frei, Jan machte um ihn einen Bogen, alles halb benommen. In seinem Kopf hämmerte es: Barbara ist es nicht! Barbara ist es nicht!
    Als er in der Bahn saß, starrte ihn sein Gesicht in der dunklen Scheibe an. Wenn sie es nicht ist, hielt er stumme Zwiesprache mit seinem Spiegelbild, dann macht es auch nichts, wenn du sie besuchst und ein paar harmlose Fragen stellst. Über ihren Boden beispielsweise. Gleich morgen früh fährst du zu ihr hinaus.

31
    Jan war nicht zu Barbara gefahren. Und er fuhr auch am Donnerstag nicht. Er berichtete Joachim seine mageren Ergebnisse, und dieser meinte, man sollte vielleicht doch einen Privatdetektiv beauftragen. Es eile aber nicht, Alexanders Alibi sei bestätigt worden. Jan dachte an Samstag, den Samstag vor dem vierten Advent, aber er sagte nichts. Als Joachim am Freitagvormittag einen Anruf im Büro erhielt, saß Jan noch mit Monika beim Frühstück.
    Der Freitagvormittag war hektisch gewesen. Die Delegation aus Brüssel hatte glücklicherweise abgesagt, dort wollte man sich schon am Donnerstagabend langsam auf die Bescherung vorbereiten. Aber der Sicherheitsbeauftragte aus Geesthacht hatte als kleines Geschenk eine erneute Beschwerde der dort niedergelassenen Ärzte mitgebracht, zu der ein Gutachten erwartet wurde. Alexander hatte ihn an Joachim verwiesen. Joachim konnte den Mann nur mit Mühe davon überzeugen, dass er erst im neuen Jahr damit rechnen könne. Kaum war er aus der Tür, kam ein Ferngespräch aus Moskau. Nach dreimaligem Weiterverbinden und Einschalten eines Dolmetschers stellte sich glücklicherweise heraus, dass ein Kommissar aus Semipalatinsk nur ein frohes Fest wünschen wollte.
    Kaum hatte er aufgelegt, läutete das Telefon erneut. Außerdem kam die Putzfrau herein und fragte, ob sie heute schon früher sauber machen könne, weil ihre Enkel –
    »Nein!«, schrie Joachim. Entnervt nahm er den Hörer ab. »Ja?«
    »Spreche ich mit Herrn Joachim von Stein?«
    »Am Apparat.«
    »Hier ist Sascha.«
    Joachim presste den Hörer ungläubig an sein Ohr. Ungnädig wedelte er die Putzfrau, die immer noch unschlüssig herumstand, hinaus. »Sascha?«, krächzte er.
    »Hallo Joachim. Wie geht es dir? Dir und Alexander?«
    »Gut«, presste er hervor. »Sascha – äh – natürlich heißt du nicht Sascha, nicht wahr?« Joachim zwang sich, locker zu bleiben. »Marianne? Helga?« Er lachte sogar in die Muschel.
    »Such dir einen Namen aus, der dir gefällt, Joachim. Mir gefällt der Name Alexander.« Ein sehr weibliches Kichern ertönte. »Früher hieß ich Sascha, jetzt werde ich mich Alexander nennen. Was meinst du, Joachim?«
    »Du nennst dich, wie du magst, Sascha. Ist doch klar.« Joachim hatte seine Fassung wiedergewonnen. »Ich habe dir dein kleines Versteckspiel nie übel genommen, ganz im Gegenteil. Nur Alexander – er ist schon immer ein Frauenfeind gewesen, aber die anderen überhaupt nicht, die fanden dich originell, wirklich.«
    »Originell? Wie jemand, den man auf dem Dom ausstellt?«
    »Sascha! Du bist gekränkt, wahrscheinlich zu Recht. Ich finde es gut, dass du angerufen hast. Lass uns doch darüber reden, wir drei. Du, ich und Alexander.«
    Am anderen Ende entstand eine kleine Pause. Dann sagte Sascha: »Du meinst, wir drei in Alexanders Wohnung?«
    »Ja«, stimmte Joachim rasch zu, »in seiner Wohnung oder wo du willst. Alexander und ich haben uns lange darüber unterhalten, inzwischen hat er sich mit dem Problem der Transsexualität auseinandergesetzt, und es tut ihm leid, wie er sich benommen hat. Er wird sich bei dir entschuldigen, ist das okay?«
    Die grelle Lache, die ihm entgegenschlug, zerriss ihm fast das Trommelfell. »Alexander tut es leid? Alexander wird sich entschuldigen? Das ist absolut lächerlich! Alexander tut es nicht leid, heute nicht, morgen nicht, niemals! Und er entschuldigt sich nicht. Wofür auch? Dass er so ist, wie er ist?«
    »So? Wie ist er denn?«, fragte Joachim ruhig.
    »Er ist wie ich, und ich bin wie er. Deshalb weiß ich, wie er denkt, was er fühlt, was er hofft! Und das nicht erst, seit ich in seinem Namen ein paar unwichtige Stricher beseitigt habe – ach, hole doch nicht so tief Luft, als seiest du erschüttert, du hast es gewusst. Und nun schleimst du mich voll mit dem Rührstück: Schwulenclub hat

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