Der Duft des Anderen
Durch blinde Scheiben sah Barbara auf einen verwahrlosten Hinterhof mit überquellenden Mülltonnen. »Wohnst du hier, oder arbeitest du hier nur?«, fragte sie, während sie Frank die Treppen hinauf folgte und auf das schmale Gesäß sah, das sich über langen Beinen am Jeansstoff rieb.
»Beides.« Frank blieb vor einer Tür ohne Namensschild stehen. »Ist nicht schön hier, aber billig. Ich spare auf was Besseres.« Er schloss die Tür auf, und Barbara sah einen langen Flur, von dem auf beiden Seiten Türen abgingen.
»Ist aber eine große Wohnung.«
Frank lachte leise. »Ich habe hier nur ein Zimmer gemietet. Bad und Küchenbenutzung inklusive. Die anderen Zimmer sind auch an Stricher vermietet.« Er stieß eine angelehnte Tür zur Linken auf. »Hier ist das Bad. Für hinterher. Sex im Bad ist verboten.«
Barbara nickte und warf einen kurzen Blick hinein. Sie erblickte einen Spiegel, dem eine Ecke fehlte, es roch stark nach Reinigungsmitteln. »Ich stehe ohnehin nicht auf Toiletten- oder Fäkal-Sex«, sagte sie.
Frank öffnete die Tür zu seinem Zimmer. »Freut mich zu hören, ich auch nicht.«
»Aber machen würdest du’s?«
»Klar, wenn’s Kohle bringt. Man kann sich ja hinterher waschen. Aber mögen tu ich’s nicht. Augen zu und durch, verstehst du?«
Barbara ging an Frank vorbei, der ihr die Tür offen hielt. Ein großes Bett nahm fast den ganzen Raum ein. Links stand eine Musikanlage, daneben säuberlich in vier Ständern etwa hundert CDs. Rechts eine Kommode mit vielen Schubladen. Auf der Kommode das Foto eines jungen Mannes, Aschenbecher, ein paar Zettel, sonst nichts. Darüber ein großer Spiegel, so breit wie die Kommode. Das Zimmer war aufgeräumt. Die zwei gewaltigen Kissen am Kopfende des Bettes standen aufrecht mit Knick in der Mitte, die Bettdecke war glatt gezogen. Über dem Bett hing ein Druck von Tom of Finland, rechts und links davon je ein Poster, das uniformierte Burschen mit Zahnpastalächeln und Knackärschen zeigte.
Barbara setzte sich auf das Bett. »Ich darf doch?«
Frank stellte sich vor sie hin und grinste. »Warst du noch nie mit ’nem Typen aufm Zimmer? Für Geld, meine ich? Nee, hast du nicht nötig, so schnuckelig, wie du aussiehst, stimmt’s? Wolltest mal sehen, was so in der Szene los ist, wie? Na, ich frage nicht. Ist dein Bier. Erst mal die dreihundert. Sorry, das muss sein, hab schlechte Erfahrungen gemacht.«
Barbara griff in die Innentasche ihres Hemdes und gab Frank drei Hundertmarkscheine. Der ging zur Kommode, zog eine Schublade auf und verstaute sie dort irgendwo unter seiner Wäsche. »Dann kann’s ja losgehen. Brauchst du was zum Aufwärmen? Einen Porno vielleicht? Oder stehst du auf Beziehungsspielchen?«
»Was soll das sein?«
Frank warf Barbara drei Pornoheftchen auf das Bett. »Na, eben auf Beziehung machen. Ich koch uns ’nen Tee oder Kaffee, dann plaudern wir eine Weile über alles Mögliche, Probleme oder so, oder wenn du willst, über Politik. Ich habe eine ganze Menge Themen drauf. Und dabei geh ich dir ganz langsam an die Wäsche. Okay?«
Barbara blätterte in den Heftchen. Schwänze und Ärsche in allen Lebenslagen, pralles Fleisch pur, Null Erotik. Da konnte sie ebenso gut in einem Versandkatalog für Küchenmaschinen blättern. Sie nickte. »Ja, das geht in Ordnung. Ich nehme Kaffee mit Milch und Zucker.«
»Dachte ich mir doch«, murmelte Frank, während er hinausging. Und ihm selbst war es auch recht.
Barbara legte die Pornoheftchen beiseite und besah sich die CD-Sammlung. Viel englische Musik, Pop-Gruppen, damit konnte sie nichts anfangen. Die Zeichnung über dem Bett gefiel ihr, sie besaß selbst einen Bildband von dem bekannten Schwulenzeichner. Das Foto auf der Kommode zeigte einen jungen Mann unter einem Baum an einem See, offensichtlich ein Urlaubsfoto.
Sein Freund? Sein Zimmergenosse? Oder nur sein Bruder? Konnte ihr egal sein. Barbara hatte die Gegend um den Hauptbahnhof seit Tagen beobachtet, und ihre Wahl war auf Frank gefallen, denn seine Kleidung war sauber, er nahm offensichtlich keine Drogen, und Barbara mochte sein freches Lachen. Frank war nur wenig größer als sie, schmal gebaut, aber muskulös. Ging vielleicht sogar ins Fitnesscenter. Vom Herumstehen an den Ecken konnte er die Figur nicht haben. Und er machte alles. Das war gut. Das war überhaupt das Wichtigste.
Frank kam mit zwei Tassen Kaffee auf einem Tablett zurück. Er stellte es zwischen sie auf das Bett. Dann zog er sein T-Shirt aus. Glatte Brust,
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