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Der Duft des Blutes

Titel: Der Duft des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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nur an, doch dann nickte er. „Ja, klar, die sind fertig. Geh doch schon mal ins Büro rüber, ich bringe sie dir gleich."
    Verwirrt trat Sabine Berner den Rückzug an. Sie musste nicht lange warten. Björn Magnus folgte ihr in das angrenzende Zimmer und drückte ihr die Mappe mit den Fotos in die Hand.
    „Sonst noch was?" Er trat nervös von einem Fuß auf den anderen. Sabine ließ sich auf die Kante des Schreibtisches sinken und musterte das eingefallene, bleiche Gesicht des Fotografen.
    „Das kannst nur du beantworten. Björn, was ist mit dir los?
    Irgendetwas ist doch passiert. So kenne ich dich gar nicht."
    Der Fotograf hob abwehrend die Hände, doch Sabine rührte sich nicht von der Stelle. Abwartend verschränkte sie die Arme vor der Brust. Björn wich ihrem Blick aus, trat ans Fenster und sah hinaus.
    „Sie ist weg", sagte er unsicher. „Maria ist weg." Sabine wartete geduldig. „Sie ist mit Susanna nach Italien gefahren, zurück zu ihrer Mutter, und dort wird sie wohl auch bleiben."
    Sabine erhob sich langsam und trat neben ihn. „Italien ist ihre Heimat. Hast du dir überlegt, ihr zu folgen?"
    Ein schiefes Lächeln verzog seine Lippen. „Das will sie nicht. Sie hat mich verlassen. -Irgendetwas muss ich wohl falsch gemacht haben."
    Sabine drückte ihm sanft die Hand. „Das ist am Anfang richtig schwer, ich weiß, doch die Flasche ist nicht der richtige Trost, glaube mir. Das macht alles nur noch schlimmer. Wenn du jemanden zum Reden brauchst, dann ruf mich an, ja?"
    Björn nickte und wandte den Kopf ab. Seufzend kehrte Sabine in ihr Büro zurück.
    Die Nacht senkte sich herab. Der Vampir erhob sich von seinem Lager im Keller seiner Blankeneser Villa. Sein Mund war ausgetrocknet, seine Kehle schrie nach frischem Blut. Der Jagdeifer blitzte in seinen roten Augen. Mit schnellen Schritten eilte er durch den Baurs Park den bewaldeten Geesthang hinunter.
    Unten angekommen, schwang er sich über das herrliche schmiedeeiserne Geländer, das noch aus Zeiten stammte, als Damen in weit ausladenden, langen Kleidern unter ihren Sonnenschirmen hier am Eibufer entlangpromenierten.
    Der Vampir eilte lautlos am Ufer des breiten Stroms entlang. Für einen gewöhnlichen Menschen war es ein strammer Fußmarsch von zwei Stunden bis zu den Landungsbrücken vor St. Pauli, für Peter von Borgo, der, wenn er es wollte, die Gestalt eines kräftigen grauen Wolfes annehmen konnte, bedeutete diese Entfernung nichts. Heute jedoch traf er schon nach kurzer Zeit auf zwei wohlgenährte Opfer, die seine erste Gier stillten, und so genoss er die Muße, langsam am tintenschwarzen Wasser entlangzuschlendern, das leise glucksend an das befestigte Ufer schlug. Hier konnte er sich fast der Illusion hingeben, die Zeit würde nur langsam vergehen. Nur der Autolärm, der von der Eibchaussee an sein empfindliches Ohr drang, strafte diese Gedanken Lügen. Fast hörte es sich an wie der ferne Kanonendonner 1813, als die Russen kamen und die Franzosen die Stadt besetzt hielten. Seine Gedanken wanderten weit in die Ferne zurück. Ja, das waren aufregende Zeiten gewesen.
    Schon vor Weihnachten besetzten die Franzosen die Kirchen, um sie zu Pferdeställen zu machen. Nur den Michael ließen sie in Ruhe. Vor den anrückenden Russen hatten sie schon beträchtliche Angst, die feschen Franzmänner. Sie brannten die Gartenhäuser am Dammtor nieder und drohten jedem, der auf den Wall gehe, fünfzig Stockhiebe an. Die Bewohner des Hamburger Bergs mussten ihre Häuser verlassen, und auch drüben in Hamm wurden die Häuser samt Schule und Pfarrhaus niedergebrannt, um den Russen die Deckung zu nehmen.
    Unaufhaltsam rückten sie näher. Um der drohenden Belagerung standhalten zu können, musste jeder Hamburger genug Vorräte an Lebensmitteln und Brennholz vorweisen können. Wehe den Armen und Bedürftigen! Zu Tausenden trieben die Franzosen die Menschen aus den Gängevierteln am Weihnachtsabend zur Petrikirche und dann durch das Millerntor zur Stadt hinaus. Der Vampir sah den Menschenstrom wieder vor sich, viele barfuß und in ihrer dünnen Nachtbekleidung. Männer und Frauen, Alte und Kinder wankten, dem eisigen Nordwind trotzend, durch die schwelenden Trümmer der Vorstadt Altona entgegen. In dieser Nacht fielen die beiden Mädchen, die unter den Zähnen des Vampirs ihr junges Leben aushauchten, nicht ins Gewicht. Mehr als tausend der Vertriebenen starben in dieser und in den nächsten Nächten an Kälte und Hunger.
    Tief in Gedanken schlenderte Peter von

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